Die Trinity Verschwörung
telefoniert, als wir die Wohnung in Bloomsbury und das Haus hier in Athen abgehandelt haben. Es war ein ziemlich umfangreicher Nachlass.«
Das war zumindest eine neue Information, auch wenn Gaddis immer noch entsetzlich wenig über Cranes Nachkriegskarriere herausgefunden hatte. Dann fiel ihm ein, dass er kein Foto von Crane hatte, und er nutzte die Gelegenheit, den Neffen zu fragen, ob er vielleicht irgendwo auf einem Dachboden noch ein altes Familienpolaroid herumliegen hatte.
» Haben Sie vielleicht ein Foto von Ihrem Onkel? Irgendeins? Ich habe noch keins auftreiben können. Wenn ein Mann ohne Kinder, Geschwister oder nahe Angehörige stirbt, bleiben nicht viele Menschen, die man um so etwas bitten könnte.«
Crane hatte sogleich Verständnis für Gaddis’ missliche Lage. » Natürlich«, sagte er, » da werde ich Ihnen sicher weiterhelfen können. Irgendwo wird schon noch etwas herumliegen. Ich werde nachsehen.«
» Das wäre sehr freundlich.«
Als Versandadresse für eventuelle Fotos nannte Gaddis sein Postfach am UCL , und kaum hatte er das Gespräch beendet, fragte er sich, warum er sich nicht einfach selbst nach Griechenland eingeladen hatte. Wenn Crane in dem Haus seines verstorbenen Onkels wohnte, dann standen vielleicht irgendwo im Keller noch Kartons herum, die für die ATTILA -Recherche von Nutzen sein konnten. Aber er schob das Handy zurück in die Tasche, ging hinunter in die Cafeteria im Erdgeschoss und bestellte sich eine Tasse Tee.
22
Auf dem Parkplatz lief er Josephine Warner in die Arme. Sie hatte gerade einen schwarzen Renault mit Fließheck aufgeschlossen und stellte eine Tragetasche von Waitrose auf den Rücksitz. Wenn Gaddis ihr nicht über eine Reihe geparkter Autos hinweg zugewinkt und » Hi!« gerufen hätte, wäre er ihr wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Er warf eine halbgerauchte Zigarette fort – der nächste abgebrochene Versuch, das Laster zu beenden – und trat sie auf dem Boden aus.
» Hallo. Doktor Gaddis, richtig?«
» Richtig«, sagte er. Er ging auf sie zu, warf einen Blick auf seine Armbanduhr. » Sie haben schon Feierabend?«
Insgeheim hoffte er, dass es so war. Da Peter sich nicht meldete, hatte er den Gedanken bereits aufgegeben, nach Winchester weiterzufahren. Er war frei, ruhelos, und er hätte sie gerne zum Essen eingeladen.
» Feierabend nicht gerade«, antwortete sie. » Ich muss schnell nach Richmond, einen Kollegen abholen. Ich bin hier die Neue, die Laufereien bleiben an mir hängen.«
Sie schaute ihn an, eine stumme Taxierung, und Gaddis war sicher, ein herausforderndes Flackern in ihren Augen gesehen zu haben. Gleich fiel ihm Holly ein, und er fragte sich, wie zum Teufel er sich auf einen Parkplatzflirt mit einer Archivarin in Kew einlassen konnte. Dabei konnte doch nichts herauskommen.
» Noch mal vielen Dank für das Testament«, sagte er und trat einen Schritt zurück.
» War es brauchbar?« Instinktiv hatte sie einen Schritt nach vorne getan, auf ihn zu. Ein plötzlicher Windstoß, heftig und herbstlich frisch. Warner hielt sich Haarsträhnen aus dem Gesicht, als sie sagte: » Arbeiten Sie an einem neuen Buch? Ich habe Ihre Bulgakow-Biografie gelesen.«
Damit hatte er nicht gerechnet. Am Vormittag war sie ihm völlig gleichgültig erschienen, hatte überhaupt nicht erkennen lassen, dass sie wusste, wer er war. » Allen Ernstes? Wieso das? Auf der Transsibirischen nichts Besseres zum Lesen dabeigehabt? Im Gefängnis Zeit totschlagen müssen?«
Sie lächelte, sagte, wie gut ihr das Buch gefallen habe, und Gaddis spürte schaudernd die entsetzliche Seichtheit weiblicher Schmeichelei. Wenn er ehrlich war, hatte er in dem Moment, als er sie hinter dem Tresen gesehen hatte, Lust bekommen, es bei ihr zu versuchen, so wie es Natasha und er während ihrer Ehe ständig bei anderen versucht hatten. Warum hatten sie das getan? Ihre Beziehung hatte davon irreparable Risse bekommen. Und doch hätte er nichts dagegen, es mit dieser Frau, die ihm völlig fremd war, wieder so zu machen, eine vielversprechende Geschichte mit Holly aufs Spiel zu setzen. Allerdings hätte eine Affäre ihn womöglich von Crane und Neame abgelenkt. Also: Finger weg. Das Buch war ungleich wichtiger. Was nicht bedeutete, dass er nicht mit ihr reden und abwarten durfte, wohin das Gespräch sie führte.
» Mein Freund damals in Oxford hat mich auf Der Meister und Margarita gestoßen«, sagte sie und kam hinter ihrem Renault hervor. Jetzt standen sie keinen Meter mehr voneinander
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