Die Troja-Mission
in der Tat«, sagte Rathbone mit großer Geste. »Aber nicht immer. Henry Morgan und Francis Drake sind den Fluss hinaufgefahren, aber nicht an El Castillo vorbeigekommen. Und ein paar hundert Jahre später hat es ihnen Horatio Nelson nachgemacht, als er noch einfacher Kapitän war. Er segelte mit einer kleinen Flotte den San Juan hinauf und griff El Castillo an. Aber es steht noch. Der Angriff schlug fehl. Es war die einzige Niederlage, die er je erlitten hat. Und er wurde sein ganzes Leben lang an diese Schmach erinnert.«
»Wie das?«, fragte Giordino.
»Weil er bei dem Angriff ein Auge verlor.«
»Das linke oder das rechte?«
Rathbone dachte einen Moment nach, ohne den Witz zu kapieren, dann zuckte er die Achseln. »Weiß ich nicht mehr.«
Pitt gönnte sich einen Schluck Tequila. »Wie lange haben die Spanier den Fluss beherrscht?«
»Bis zum Goldrausch in Kalifornien in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Commodore Vanderbilt, der Eisenbahnbaron und Reederkönig, erkannte die Gunst der Stunde. Er handelte mit den Spaniern einen Vertrag aus, aufgrund dessen er Goldsucher, die auf seinen Dampfern von Boston und New York aus die lange Reise nach Kalifornien antreten wollten, quer durchs Land befördern durfte. Seine Passagiere stiegen bei San Juan del Norte von Hochseeschiffen auf Flussdampfer um, die den San Juan hinauffuhren und sie über den See nach La Virgen brachten. Von dort aus waren es nur mehr zwölf Meilen mit dem Pferde- oder Ochsenwagen bis zu dem kleinen Pazifikhafen San Juan del Sur, eigentlich nur zwei, drei Kais, wo sie sich wieder an Bord eines Vanderbilt’schen Dampfers begaben, der sie nach San Francisco brachte. Sie ersparten sich damit nicht nur die gefährliche und ein paar tausend Meilen längere Fahrt um Kap Hoorn, sondern auch den Umweg über den Isthmus von Panama.«
»Wann kam der Schiffsverkehr auf dem Fluss zum Erliegen?«, fragte Pitt.
»Die Accessory Transit Company, wie Vanderbilt sie nannte, ging nach dem Bau des Panamakanals ein. Der Commodore ließ für sich in San Juan del Norte ein großes Herrenhaus errichten, das immer noch steht. Allerdings ist es verlassen und von Unkraut überwuchert. Danach geriet der Fluss achtzig Jahre lang in Vergessenheit, bis er Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zur Touristenattraktion wurde.«
»Meiner Ansicht nach hätte sich diese Gegend hier eher für einen Kanalbau angeboten als Panama.«
Rathbone nickte betrübt. »Bei weitem, bei weitem, aber aufgrund der politischen Ränkespiele eures Präsidenten Teddy Roosevelt entstand er ein paar hundert Meilen weiter südlich.«
»Man könnte hier immer noch einen Kanal stechen«, sagte Giordino versonnen.
»Zu spät. Die großen Unternehmen setzen auf den Panamakanal, außerdem würden Umweltschützer und Ökologen ein solches Projekt mit allen Mitteln bekämpfen. Und selbst wenn die nicaraguanische Regierung ihren Segen dazu gäbe, würde niemand das Geld aufbringen.«
»Ich habe gehört, dass man mal vorhatte, einen Eisenbahntunnel quer durch Nicaragua zu bauen, von Küste zu Küste.«
Rathbone blickte hinaus auf den Fluss. »Monatelang gab’s am ganzen Fluss allerlei Gerüchte, aber es ist nie was draus geworden. Vermesser sind hier eingefallen und quer durch den Dschungel gezogen. Ständig knatterten hier Hubschrauber durch die Gegend. Allerhand Geologen und Ingenieure sind in meine Gästehäuser eingefallen und haben meinen Whiskey getrunken. Aber nach knapp einem Jahr haben sie ihre Geräte wieder eingepackt und sind heimgefahren. Und das war’s dann.«
Giordino trank seinen Scotch aus und bestellte sich einen neuen. »Und keiner ist zurückgekommen?«
Rathbone schüttelte den Kopf. »Meines Wissens nicht.«
»Haben Sie einen Grund genannt, weshalb sie das Projekt nicht weiter verfolgten?«, erkundigte sich Pitt.
Wieder schüttelte Rathbone den Kopf. »Die wussten anscheinend auch nicht mehr als ich. Ihre Verträge waren abgelaufen, und man hat sie ausbezahlt. Mir kam das Ganze ziemlich undurchsichtig vor. Deshalb habe ich einen der Ingenieure am Abend vor seiner Abreise ordentlich eingeweicht. Aber ich habe lediglich rausgekriegt, dass er und seine Kollegen Stillschweigen geloben mussten.«
»Hieß das Bauunternehmen vielleicht Odyssey?«
Rathbone fuhr kurz auf. »Ja, das war’s, das war’s. Odyssey. Der oberste Boss ist hergekommen und in meinem Gästehaus in El Castillo abgestiegen. Ein schwergewichtiger Bursche. Muss gut dreieinhalb Zentner gewogen
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