Die Troja-Mission
ehesten kämen dafür die Gog Magog Hills in Frage, wo man große Erdschanzen und runde Befestigungsanlagen mit tiefen Gräben entdeckt hat und bei den Ausgrabungen auf Überreste hölzerner Palisaden und viele Bronzegegenstände gestoßen ist. Ferner fand man dort Urnen und zahlreiche Skelette, die Spuren von Verstümmelungen aufwiesen.«
»Woher stammt diese komische Bezeichnung Gog Magog?«, fragte Summer.
»Als die Bewohner dieser Gegend vor vielen Jahren zufällig eine Unzahl von Gebeinen entdeckten, hielten sie diese Stätte für ein großes Schlachtfeld, auf dem einst ein blutiger Krieg ausgetragen wurde. Das erinnerte sie wiederum an eine Schlacht, in der den Worten des Propheten Hesekiel in der Bibel zufolge die Heerscharen des Königs Gog von Magog mit Gottes Hilfe vernichtet wurden.«
Sandecker blickte erst zu Boyd, dann zu Chisholm. »Na schön, nun haben wir also gehört, dass der Trojanische Krieg in Südengland ausgetragen wurde und dass es um den Besitz der Zinnminen ging. Aber was hat das mit den keltischen Relikten zu tun, die Dirk und Summer auf der Navidad Bank entdeckt haben?«
Die beiden Gelehrten warfen sich einen belustigten Blick zu. »Oh, so gut wie alles, Admiral«, sagte Boyd dann. »Da wir uns nun einigermaßen sicher sind, dass das Schlachtfeld von Troja in Wirklichkeit in England lag, können wir uns den Irrfahrten des Odysseus zur Navidad Bank widmen.«
Danach war es im Konferenzraum so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören können. Die Aussage kam so unverhofft, dass fast eine halbe Minute verstrich, ehe jemand darauf einging.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Gunn, der immer noch zu begreifen versuchte, was er soeben gehört hatte.
Sandecker wandte sich an Perlmutter. »St. Julien, stimmen Sie diesem Irrsinn zu?«
»Das ist ganz und gar kein Irrsinn«, erwiderte Perlmutter mit einem breiten Grinsen. »In Homers Epen steht, dass Odysseus König von Ithaka war. Aber die gleichnamige griechische Insel war nie ein Königreich, und man hat dort auch keine Ruinen gefunden, die von Bedeutung wären. Wilkens hingegen legt dar – und meiner Meinung nach sehr überzeugend –, dass sich das Königreich des Odysseus nicht in Griechenland befand. Theophile Cailleux, ein belgischer Anwalt aus Calais, Frankreich, behauptete nach umfangreichen Forschungen, dass die spanische Stadt Cádiz das homerische Ithaka sei. Und obwohl im Lauf der vergangenen dreitausend Jahre viel Land angeschwemmt wurde, können Geologen die Umrisse mehrerer Inseln zeigen, die heute zum Festland gehören. Cailleux und Wilkens haben auch einen Großteil der Häfen identifiziert, die Odysseus angelaufen hat, und keiner davon liegt am Mittelmeer.«
»Dem muss ich beipflichten«, sagte Yeager. »Unter Berücksichtigung aller bekannten Fakten über die Irrfahrten des Odysseus, anhand von Homers Beschreibungen, den Theorien von Wilkens und Cailleux, der in der Bronzezeit üblichen Navigationsmethoden sowie aufgrund der Gezeiten und Meeresströmungen haben Max und ich die einzelnen Stationen der Reise ermittelt.«
Yeager griff zur Fernbedienung und gab einen Zahlenkode ein. Am Bildschirm tauchte eine Karte vom nördlichen Atlantischen Ozean auf, über die eine rote Linie von Südengland zur afrikanischen Küste, von dort aus zu den Kapverdischen Inseln und dann in die Karibik verlief. Mit einem Laserlicht zog er die Reiseroute des Odysseus nach.
»Nachdem Odysseus von widrigen Winden aufs Meer hinausgetrieben wurde, gelangte er zunächst ins Land der Lotophagen, der Lotosesser. Laut Wilkens handelt es sich dabei vermutlich um den heutigen Senegal, an der Westküste von Afrika gelegen. Der dortige Lotus gehört zur Familie der Schmetterlingsblütengewächse und wird von den Einheimischen aufgrund seiner narkotischen Wirkung seit tausenden von Jahren verzehrt. Von dort aus trugen ihn die Winde in Richtung Westen, zu den Kapverdischen Inseln, wo sich demzufolge die Insel der Kyklopen befinden muss, da die Beschreibungen fast auf den Punkt genau zutreffen.«
»Das Land der Einäugigen«, sagte Sandecker mit einem verkniffenen Lächeln.
»Homer deutet nirgendwo an, dass alle Bewohner nur ein Auge hatten«, erklärte Yeager. »Sie hatten zwei. Nur Polyphem hatte eines, und das befand sich auch nicht mitten auf der Stirn.«
»Soweit ich mich noch an die
Odyssee
entsinnen kann«, sagte Gunn, »wurde Odysseus, nachdem er den Kyklopen entronnen war, über das Meer gen Westen getrieben, zur
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