Die Troja-Mission
Schnauzer.«
»Da kommt daher, weil es weder Griechen noch Trojaner sind.«
»Was dann?«
»Kelten.«
Perlmutter wirkte ausgesprochen zufrieden. »Ich habe Iman Wilkens ebenfalls gelesen.«
Chisholm nickte. »Dann kennen Sie ja seine bemerkenswerten Ausführungen über einen der größten Irrtümer der Vor- und Frühgeschichte.«
»Könnten Sie uns vielleicht aufklären?«, sagte Sandecker unwirsch.
»Aber gern«, erwiderte Chisholm. »Der Kampf um Troja …«
»Ja?«
»Fand nicht an der türkischen Mittelmeerküste statt.«
Yeager starrte ihn verdutzt an. »Wo dann, wenn nicht in der Türkei?«
»Bei Cambridge, in England«, erwiderte Chisholm. »Unweit der Nordseeküste.«
32.
Bis auf Perlmutter starrten ihn alle ungläubig an.
»Ihre Zweifel sind nur zu offenkundig«, stellte Chisholm fest. »Die ganze Welt hat sich in die Irre führen lassen, als ein deutscher Kaufmann namens Heinrich Schliemann nachdrücklich erklärte, er habe anhand der Angaben in Homers
Ilias
Troja gefunden. Er behauptete, ein alter Siedlungshügel namens Hisarlik sei der Ort gewesen, an dem die befestigte Stadt Troja einst stand.«
»Sind nicht die meisten Archäologen und Historiker der gleichen Ansicht wie Schliemann?«, erkundigte sich Gunn.
»Die Sache ist nach wie vor sehr umstritten«, sagte Boyd.
»Homer war ein geheimnisumwitterter Mann. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass er tatsächlich gelebt hat. Wir wissen lediglich, dass ein gewisser Homer Epen über einen großen Krieg aufgriff, die jahrhundertelang mündlich überliefert wurden, und daraus eine Reihe von Gesängen schuf, Abenteuergeschichten, wenn Sie so wollen, die zu den ersten literarischen Werken der Welt zählen. Aber war es wirklich ein Mann oder eine ganze Gruppe, die diese Gesänge im Laufe der Jahrhunderte verfasste und überarbeitete, bis daraus die
Ilias
und die
Odyssee
wurden, wie wir sie heute kennen? Das wird man vermutlich nie erfahren. Und nicht nur Homers Person ist uns ein Rätsel, wir wissen auch nicht, ob der Trojanische Krieg nur eine Sage ist oder eine wahre Begebenheit. Aber selbst wenn er in der frühen Bronzezeit stattgefunden haben sollte, stellt sich immer noch die Frage, ob es tatsächlich um einen Kampf zwischen Griechen und Trojanern ging oder ob Homer von einem Ereignis berichtete, das sich mehr als tausend Meilen entfernt zutrug.«
Perlmutter grinste über das ganze Gesicht. Boyd und Chisholm bestätigten gerade, was er schon immer vermutet hatte.
»Bis auf Wilkens ist bislang noch niemand auf den Gedanken gekommen, dass Homer kein Grieche war, sondern ein keltischer Dichter, der über eine sagenhafte Schlacht schrieb, die sich vierhundert Jahre zuvor zugetragen hatte. Und zwar nicht am Mittelmeer, sondern an der Nordsee.«
Gunn wirkte gedankenverloren. »Dann haben die Irrfahrten des Odysseus …«
»… im Atlantischen Ozean stattgefunden.«
Summer schwirrte der Kopf. »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass die tausend Schiffe nicht der schönen Helena wegen in See gestochen sind?«
»Ich wollte damit zu verstehen geben«, konterte Boyd mit einem müden Lächeln, »dass diese Sage auf einer wahren Begebenheit beruht, einer Auseinandersetzung allerdings, zu der es nicht kam, weil ein zürnender König Rache nehmen wollte für die Entführung seiner Frau durch ihren Liebhaber. Wegen eines ungetreuen Eheweibes wären wohl kaum tausende von Männern bereit gewesen, in die Schlacht zu ziehen und ihr Leben zu riskieren, nicht wahr? Und der weise alte Priamos, der König von Troja, hätte niemals sein Königreich oder das Leben seiner Untertanen aufs Spiel gesetzt, damit sein ungeratener Sohn mit einer Frau zusammenleben konnte, die aus freien Stücken ihren Ehemann verlassen hatte. Und es handelte sich auch nicht um einen Raubzug wegen der Schätze von Troja. Wahrscheinlich wurde diese Auseinandersetzung eher wegen eines Halbedelmetalls, eines Elements namens Zinn ausgetragen.«
»St. Julien hat Summer und mir erklärt, dass die Kelten die Bronze- und Eisenzeit eingeleitet haben«, sagte Dirk, der kurz von seinen Notizen aufblickte.
Chisholm nickte. »Nur zur Klarstellung: Sie haben die industrielle Herstellung in die Wege geleitet, aber niemand weiß mit letzter Sicherheit, wo man zum ersten Mal entdeckt hat, dass man zehn Prozent Zinn mit neunzig Prozent Kupfer mischen muss, damit eine Metalllegierung entsteht, die doppelt so hart ist wie alles, was man zuvor kannte. Selbst der genaue Zeitpunkt ist unklar. Wir können
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