Die Troja-Mission
Dach des Hotels hinweg.«
»Das ist ja unfassbar.«
»Sie können sich darauf verlassen.«
»Mach ich auch«, erwiderte Heidi, die mit einem Mal besorgt klang. »Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
»Sagen Sie mir nur Bescheid, wenn Sie meinen, dass der Sturm nachlässt.«
»Den Satellitenaufnahmen und den Berichten unserer Sturmaufklärungsflugzeuge nach zu schließen, dürfte das noch eine Weile dauern.«
»Wenn Sie nichts mehr von mir hören«, sagte Morton, der sich schließlich doch umdrehte und auf die Wasserwälle starrte, die sich draußen auftürmten, »wissen Sie, dass es zum Schlimmsten gekommen ist.«
Ehe Heidi etwas erwidern konnte, schaltete er um und nahm den nächsten Funkspruch entgegen. »Mr. Morton?«
»Am Apparat.«
»Sir, hier spricht Kapitän Rick Tapp von den Odyssey-Schleppern.«
»Schießen Sie los, Kapitän. Die Verbindung ist durch den Sturm gestört, aber ich kann Sie hören.«
»Sir, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihnen die Schlepper
Albatross
und
Pelican
nicht zu Hilfe kommen können. Die See ist zu rau. Wir kommen nie und nimmer an euch ran. Einen derart schweren Sturm hat hier noch keiner erlebt. Unsere Schiffe sind zwar robust, aber so was halten sie nicht aus. Das wäre der reinste Selbstmord.«
»Ja, das sehe ich ein«, antwortete Morton. »Kommen Sie, sobald Sie können. Ich weiß nicht, wie lange unsere Trossen noch halten. Es grenzt schon an ein Wunder, dass das Hotel den Wellen so lange standhalten konnte.«
»Sobald der Sturm so weit abflaut, dass wir auslaufen können, werden wir so schnell wie möglich zu Ihnen stoßen.«
Morton dachte einen Moment lang nach. »Haben Sie irgendwelche Anweisungen von Specter erhalten?«
»Nein, Sir, weder er noch seine Direktoren haben sich bislang gemeldet.«
»Ich danke Ihnen, Kapitän.«
Morton fragte sich unwillkürlich, ob Specter das
Ocean Wanderer
mitsamt der Menschen, die sich darin aufhielten, schon abgeschrieben hatte. Möglicherweise wirkte der Mann nicht nur monströs, sondern war wirklich ein Monster mit einem Herz aus Stein. Er konnte sich förmlich vorstellen, wie er sich in diesem Moment, da sich die Katastrophe anbahnte, mit seinen Beratern und den anderen Direktoren seiner Firma zusammensetzte und überlegte, wie er jegliche Schuld von sich weisen konnte.
Er musste die Gäste beruhigen, ihnen versichern, dass sie den Sturm heil überstehen würden. Er war kein Schauspieler, hatte noch nie auf einer Bühne gestanden, aber heute musste er den Auftritt seines Lebens bieten.
Er wollte gerade sein Büro verlassen und sich auf einen Rundgang durch das Hotel begeben, als er ein dumpfes Knirschen hörte. Dann spürte er, wie der Boden unter seinen Füßen ins Wanken geriet.
Fast im gleichen Moment summte sein Handy.
»Ja, was gibt’s?«
Die vertraute Stimme des Leiters des Wartungstrupps drang aus dem kleinen Lautsprecher. »Emlyn Brown hier, Mr. Morton. Ich bin unten in Windenraum Nummer zwo. Ich habe gerade das ausgefranste Ende der Haltetrosse vor mir. Sie ist hundert Meter weiter draußen gerissen.«
Mortons schlimmste Befürchtungen bewahrheiteten sich.
»Werden die anderen halten?«
»Wenn eine kaputt ist, werden die übrigen noch mehr belastet. Ich bezweifle, dass sie noch lange halten.«
Jedes Mal, wenn eine der mächtigen Wellen anbrandete, wurde das Hotel in seinen Grundfesten erschüttert und von kochenden grünen Wassermassen überflutet, aber immer wieder tauchte es auf, trutzig und unbezwingbar wie eine belagerte Festung, die jedem Sturmangriff standhält. Allmählich fassten die Gäste wieder Mut und wurden immer zuversichtlicher, als sie sahen, dass das
Ocean Wanderer
die riesigen Brecher scheinbar unbeschadet abwetterte. Die Gäste, zum größten Teil wohlhabende Leute, die hier ihren Urlaub verbrachten, weil sie ein Abenteuer suchten, stellten sich auf die Gefahr ein und wirkten zusehends gelassener. Selbst die Kinder legten ihre anfängliche Angst ab und hatten allmählich ihren Spaß daran, den gewaltigen Fluten zuzusehen, die über das Luxushotel hereinbrachen.
Die Küchenchefs und ihre Mitarbeiter überboten sich selbst und schafften es irgendwie, Speisen zuzubereiten, die von den Kellnern so formvollendet wie eh und je im überfüllten Theater und im Ballsaal serviert wurden.
Morton allerdings wurde immer mulmiger zumute. Er war davon überzeugt, dass es nur noch eine Frage von Minuten war, bis das Unheil über sie hereinbrach, und dass niemand sie vor den Urkräften der
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