Die Troja-Mission
musste man wahrhaftig kein Prophet sein – würde Specter in Sachen Öffentlichkeitsarbeit sämtliche Hebel in Bewegung setzen, sobald er erfuhr, dass das Hotel heil davongekommen war. Er würde Verlautbarungen herausgeben, Pressekonferenzen ansetzen und Fernsehinterviews vereinbaren lassen, in denen er sich als der große Retter hinstellen würde, der das Hotel und sämtliche Bewohner vor dem Schlimmsten bewahrt hatte.
Morton war klar, dass er den ersten Schritt tun, ihm zuvorkommen musste. Er griff zum Telefon, das jetzt, da der Hurrikan abgezogen war, wieder ohne jede Störung funktionierte, und rief einen alten Studienkollegen und Zimmergenossen an, der eine PR-Firma in Washington, D.C. leitete. Er schilderte ihm das ganze abenteuerliche Geschehen, verwies ausdrücklich auf die Verdienste der NUMA und der Männer, die das Abschleppen ermöglicht hatten, und erwähnte auch, wie tapfer sich Emlyn Brown und die Männer seiner Wartungscrew gehalten hatten. Was sein Verhalten und seine Anweisungen in höchster Not anging, stellte er sein Licht allerdings auch nicht unter den Scheffel.
Fünfundvierzig Minuten später legte er den Hörer wieder auf, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und grinste zufrieden wie ein satter Kater. Specter würde selbstverständlich kontern. Aber sobald sich die Medien auf seine Geschichte stürzten und die ersten Gäste interviewt wurden, stand er auf verlorenem Posten. Er trank ein weiteres Glas Sekt und schlief auf der Stelle ein.
»Herrgott, das war knapp«, sagte Barnum leise.
»Gute Arbeit, Paul«, sagte Pitt und schlug ihm auf den Rücken.
»Nach wie vor zwei Knoten«, rief Maverick von der Brückennock herab, worauf unten alle in laute Jubelrufe ausbrachen.
Der Regen hatte nachgelassen. Die See war zwar immer noch kabbelig und von weißer Gischt gekrönt, aber die Wellen gingen nur mehr knapp drei Meter hoch. Hurrikan Lizzie war abgezogen, als langweilte er sich jetzt, da er keine weiteren Schiffe verschlingen konnte, und ließ seine ganze Wut an den Städten und Dörfern der Dominikanischen Republik und im benachbarten Haiti aus. In der Dominikanischen Republik entwurzelte er zwar zahllose Bäume, aber ein Großteil der Menschen hatte sich in das noch immer dicht bewaldete Landesinnere zurückgezogen, wo sie vor dem Sturm geschützt waren. Hier forderte er nur knapp dreihundert Todesopfer.
Auf Haiti hingegen, einem der ärmsten Länder der Welt, wo die Wälder abgeschlagen und zu Brenn- oder Bauholz verarbeitet worden waren, schlug er mit voller Wucht zu. Fast dreitausend Menschen starben in ihren Bretterhütten, die keinerlei Schutz boten, als der Hurrikan über Hispaniola hinwegfegte, ehe er wieder auf die offene See hinauszog.
»Schäm dich was, Käpt’n«, sagte Pitt lachend.
Barnum, der so ausgelaugt und erschöpft war, dass er kaum noch ein Wort hervorbrachte, schaute ihn verständnislos an. »Was sagst du da?«, grummelte er.
»Du bist der einzige Mann an Bord, der keine Schwimmweste trägt.«
Er blickte auf sein Ölzeug hinab und lächelte. »Die muss ich vor lauter Aufregung vergessen haben.« Er wandte sich um und rief die Brücke. »Mr. Maverick?«
»Sir?«
»Übernehmen Sie. Sie sind für das Schiff zuständig.«
»Aye, Käpt’n, Brücke übernimmt das Kommando.«
Barnum wandte sich an Pitt und Giordino. »Meine Herren, ihr habt euch heute mal wieder selber übertroffen. Das war ganz schön wagemutig, wie ihr die Trossen rüber zur
Sprite
gezogen habt, aber es hat vielen Menschen das Leben gerettet.«
Pitt und Giordino blickten einander betreten an.
»Das war doch gar nichts«, versetzte Pitt schließlich. »Wir haben schon ganz andere Dinger gedreht.«
Barnum ging nicht darauf ein. Er kannte die beiden Männer und wusste, dass sie sich eher die Zunge abbissen, als sich auch nur einmal dessen zu rühmen, was sie vollbracht hatten. »Von mir aus könnt ihr es hinstellen, wie ihr wollt, aber meiner Meinung nach habt ihr eure Sache verdammt gut gemacht. Dabei belassen wir’s auch. Nichts wie rauf auf die Brücke, dort ist es wenigstens trocken. Eine Tasse Kaffee könnte nicht schaden.«
»Hast du irgendwas Stärkeres?«, fragte Giordino.
»Ich glaube, damit kann ich dienen. Ich habe eine Flasche Rum für meinen Schwager mitgenommen, als wir das letzte Mal im Hafen lagen.«
Pitt schaute ihn an. »Seit wann bist
du
denn verheiratet?«
Barnum lächelte nur, ohne darauf einzugehen, und stieg die Treppe zur Brücke hinauf.
Bevor er sich aufs Ohr
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