Die Trolle
sagte doch: Es tut mir Leid«, erwiderte ihr Bruder flehentlich, aber Flores spürte nichts als Zorn in sich.
»Mir auch, Sten, mir tut es auch Leid. Aber es wäre besser, wenn du jetzt wieder gehst. Ich erwarte jemanden, und du willst doch gewiss vermeiden, dass man dich hier sieht.«
»Flores …«, begann Natiole, doch die Wlachakin unterbrach ihn.
»Jetzt, da euer kleiner Kreis wieder zusammen ist, kannst du ja mit ihm gehen, oder nicht, Nati? Ihr habt doch sicherlich noch ein paar Dinge auszufechten und einige hilflose Maiden zu retten.«
Verletzt starrte ihr alter Freund sie an, doch dann packte er wortlos seine wenigen Habseligkeiten zusammen. Unter Flores’ kaltem Blick mochte auch ihr Bruder nichts mehr sagen, doch seine Augen suchten noch immer die ihren.
Wenn er so weitermacht, wird er sterben, früher oder später, dachte Flores, und noch einmal will ich das nicht erleben müssen. Deshalb wich sie seinem Blick aus und zuckte mit keiner Wimper, bis Natiole fertig war und sich zu ihrem Bruder gesellte.
»Danke für deine Gastfreundschaft«, sagte der Wlachake, mit dem sie am Abend zuvor noch gelacht hatte, und wandte sich ab.
»Schwester …«, begann Sten, doch Flores fuhr ihn an.
»Mein Bruder starb durch Zorpads Hand. Du bist nicht mein Bruder, du bist nur noch ein Rebell ohne Namen. Bleib mir lieber fern!«
»Falls du deine Meinung änderst: Du findest uns in einem Lagerhaus am Hafen, es gehört …«
»Das interessiert mich nicht!«, schrie sie aufgebracht.
Ohne ein weiteres Wort verließen die beiden Männer das Zimmer und traten auf die Straße hinaus. Als die Tür hinter ihnen zufiel, traute Flores ihren Beinen plötzlich nicht mehr, und sie setzte sich rasch. Ihre Kehle schnürte sich zu, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihre gesamte Anspannung entlud sich plötzlich und unkontrollierbar in einem lauten Schluchzen. So hockte sie auf dem Bett und weinte. Vielleicht bekomme ich meinen Bruder irgendwann zurück, überlegte sie, aber nicht, solange dieser Held des Volkes lebt!
Erst nach einem kleinen Frühstück hatte sie sich wieder so weit beruhigt, dass ihre Finger nicht mehr zitterten. Die Wut über ihren Bruder und sein unerwartetes Auftauchen war zunächst Trauer gewichen, doch jetzt spürte sie, wie der Zorn zurückkehrte. Wie kann er es wagen, dachte Flores erbost, einfach so in meine Unterkunft zu spazieren, als wäre nichts gewesen! Denkt er niemals an andere?
Obwohl eine kleine Stimme in ihrem Innern ihr sagte, dass Sten andauernd an andere dachte und das Wohl der Wlachaken über sein eigenes stellte, weigerte sich die junge Frau, ihm zu verzeihen. Auf eine unbestimmte Art und Weise wollte sie Sten hassen, denn die Nachricht von seinem Tod hatte sie schwer getroffen, und sie glaubte nicht, dass sie dies noch einmal würde durchstehen können. Es würde besser sein, wenn sie alle Verbindungen zu ihm kappte, denn dann würde sie die unausweichliche Nachricht, dass man ihn endgültig hingerichtet oder ermordet hatte, einfacher ertragen.
Mit diesen düsteren Gedanken im Kopf kleidete sie sich in ihre lederne Rüstung und warf sich den grauen Umhang über die Schultern. Bewaffnet mit ihrem Schwert, trat sie hinaus in die Sonne und machte sich auf den Weg zu ihrem Auftraggeber. Nachdem sie die letzten Tage niemals gerüstet gewesen war, zwickte der Lederharnisch ein wenig, aber sie war das Tragen von Rüstungen aller Art schon seit langer Zeit gewohnt und störte sich nicht weiter daran. Der Brustpanzer aus festem Leder, auf den man Metallscheiben genäht hatte, schützte ihren Torso bis zu den Oberschenkeln, und sie trug ähnlich gearbeitete Schienen an Unterarmen und Beinen. Insgesamt bot die Rüstung guten Schutz und war dabei nicht allzu schwer, was Flores in ihrer Art zu kämpfen entgegenkam, denn sie bevorzugte einen schnellen, beweglichen Stil mit einer langen, schmalen Klinge.
Die Masriden fochten anders, mit eher breiten und schweren Schwertern, da sie üblicherweise vom Rücken eines Pferdes stritten, wo ein einziger Hieb beim Sturm alles entscheiden konnte. Zudem bevorzugten sie schwerere Rüstungen, die sie besonders vor wuchtigen Schlägen schützten. Zumindest wenn man einfach drauflosdrischt und nicht auf Schwachstellen achtet und diese ausnutzt, dachte Flores mit einem bösen Lächeln und legte die Hand auf den Knauf ihrer Waffe.
Die Straßen Teremis waren zu dieser Tageszeit voller Menschen, die ihren Geschäften nachgingen, zum Markt strebten oder ihr
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