Die Trolle
Handwerk in Läden und kleinen Buden verrichteten. Flores drängte sich geschickt durch die Menge vorbeihastender Passanten.
Zweimal beäugten sie Patrouillen aus der Feste misstrauisch, aber niemand hielt sie auf, als sie in das Széraly trat, den wohl reichsten Teil der Stadt, wo die Adligen und Händler Teremis ihre Residenzen hatten, die natürlich zum größten Teil Masriden und Szarken waren.
Das Széraly-Viertel lag nahe der Burg Remis in leicht erhöhter Position, sodass es einerseits vor den zuweilen auftretenden Überschwemmungen sicher war, andererseits aber auch den vollen Schutz der Festung genoss.
Die Straßen waren hier gut gepflastert und sauber, und die Häuser waren größer und gepflegter als im Rest der Stadt. Viele waren mit bunten Wandbildern geschmückt, welche die Besitzer oder deren Wappentiere darstellten. Zudem waren die hölzernen Balken mit Schnitzereien verziert, und es gab sogar eine Hand voll richtiger Paläste, die von Gärten umgeben waren. Allerdings hatte Flores einen solchen noch nie betreten.
Das Haus ihres Auftraggebers hob sich von den anderen kaum hervor, es war weder besonders groß, noch fiel es durch herausragenden Schmuck auf.
Auf den weißen Wänden links und rechts der Eingangstür waren Bilder von Berggipfeln zu sehen, die sich aus weißen Wolkenschwaden erhoben. Die Gemälde spielten auf den Spitznamen von Hernád an, der sich gern von allen Leuten »der Berg« nennen ließ. Angesichts der Tatsache, dass der Händler gut einen Kopf kleiner als Flores war, hatte sie dies immer amüsiert, aber Hernád war reich, und es war bekannt, dass er Einfluss bei Hof besaß, weshalb niemand ihm widersprach.
Nach einem energischen Klopfen öffnete eine Dienerin die Tür, die Flores erkannte und sie ohne Umschweife in den Hinterhof führte, wo bereits eine Kutsche vorbereitet wurde. Zwei Knechte spannten die großen, dunklen Pferde vor das geschlossene Gefährt, während ein dunkelhaariger Junge die Sitze in der Kutsche mit einer Bürste reinigte.
Gelangweilt lehnte sich Flores an die getünchte Hauswand und sah dem Treiben zu. Ein Teil des Bodens im Innenhof war gepflastert, und der kleinere der beiden Knechte fluchte inständig, als eines der Tiere dort Pferdeäpfel verteilte, die er flugs mit einem Spaten entfernte.
Die Kutsche war ein beeindruckendes Gefährt aus dunklem Holz, dessen Flächen in einem hellen Grau gestrichen waren. Alle metallenen Teile waren vergoldet und poliert, sodass sie im Licht glänzten. Ruhig verfolgte Flores die Szenerie auf dem Hof, bis Ezro den Hof betrat, einer von Hernáds ständigen Wachen. Schnell trat Flores einen Schritt von der Mauer weg und gab sich aufmerksam.
Zwischen dem Szarken und Flores herrschte eine Rivalität, die immer zu einer Spannung führte, sobald sie sich begegneten. Flores konnte Ezro nicht besonders gut leiden, weswegen sie ihm nur knapp zunickte und dann eine langsame Runde über den Hof machte. Doch der Krieger verstand sie nicht, oder er ignorierte ihr Verhalten und gesellte sich zu ihr. Auch er war gerüstet, allerdings trug er über seinem dicken, ledernen Brustpanzer noch einen grauen Wappenrock. Ebenso wie ihr Umhang war dieser von Hernád gestellt, der das helle Grau als Erkennungsfarbe seiner Untergebenen verwendete.
Als Masride empfand sich Hernád natürlich der Oberschicht zugehörig, auch wenn er kein Land und keine Lehnsleute sein Eigen nannte. Vom masridischen Selbstverständnis her stand jeder von ihnen über dem gewöhnlichen Volk, das sich aus den Wlachaken zusammensetzte.
»Du brauchst noch einen Rock«, begann Ezro knapp, und Flores sah ihn erstaunt an.
»Einen Rock? Was soll ich tun, tanzen?«, erwiderte sie bissig.
»Nein, nein, einen Waffenrock. Der Herr hat heute eine Audienz in der Feste.«
»Jetzt, zur Mittagsstunde?«
»Gegen Abend, aber vorher wird er noch einige Besuche abstatten. Freu dich doch, Söldling, viel Geld für einfache Arbeit!«, spottete der Szarke.
»Du mich auch, Ezro. He, warte, hörst du das?«, fragte Flores plötzlich und hielt in einer übertriebenen Geste die Hand ans Ohr. »Ruft da nicht dein Herrchen? Solltest du nicht den Schwanz einkneifen und zu ihm laufen?«
Wütend starrte der Szarke sie an, doch Flores hielt seinem harten Blick stand und lächelte ihn nur auffordernd an. Dem arroganten Krieger eine Lektion zu erteilen käme ihr gerade recht, denn noch immer brodelte in ihrem Innern der Zorn, in den sie sich seit dem Besuch ihres Zwillingsbruders
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