Die Trolle
die tödliche Präzision, mit der dieser Angriff aus dem Nichts über die Reiter hereingebrochen war, ließ Sten schaudern.
»Sie hatten keine Möglichkeit zu überleben«, murmelte Flores, und ihr Bruder nickte.
»Man sieht sie nicht, und dann ist man einfach tot«, sagte Sten kopfschüttelnd, während er die Toten untersuchte.
»Wir sollten schauen, was wir gebrauchen können«, schlug Flores vor, und Sten sah seine Schwester erstaunt an.
»Was, du meinst plündern?«
»Was denn sonst? Meine Güte, du bist derjenige, der ständig im Kriegszustand lebt. Willst du mir erzählen, dass es in Ordnung ist, die armen Schweine umzubringen, aber nicht, den Toten ihre Waffen abzunehmen?«
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Sten. »Ich dachte nur … Ach, vergiss es.«
Also nahmen sie den Gefallenen Waffen, Rüstungsteile und sonstige nützliche Ausrüstung wie Mäntel und Kleidung ab, die ihnen fehlte, und trugen die Sachen zur Hütte.
»Wir können sie nicht begraben«, sagte Sten entschuldigend zu Vangeliu. »Es sind zu viele.«
»Keine Sorge, mein Junge, darum kümmere ich mich schon«, beruhigte ihn der alte Geistseher. »Ihr könnt einfach von hier verschwinden, ich räume schon auf.«
Als es dunkel wurde und die ohnehin graue Welt ihre Farben verlor, kehrten Costin und Leica durchnässt, aber erfolgreich zurück, denn sie führten fünf der Streitrösser am Zügel. Wenig später machten sie sich bereit zum Aufbruch.
»Mach’s gut, Brüderchen«, flüsterte Flores ihm ins Ohr, als sie ihn zum Abschied umarmte, »sichere Wege.«
»Sichere Wege, Flores«, erwiderte Sten ernst und sah sie mit einem traurigen Lächeln an. Dann wandte sie sich ab und schwang sich auf ein Pferd. Costin und Leica tippten sich grüßend an die Stirn, und Suhai schlug Sten mit der gesunden Hand auf die Schulter.
»Danke, Sten cal Dabrân. Sichere Wege!«
»Sichere Wege euch allen«, verabschiedete sich Sten und wandte sich Viçinia zu, die ihn aus ihren dunklen Augen anblickte. Selbst in dem viel zu großen Umhang der masridischen Reiter, mit nassem Haar und bleichem, erschöpftem Gesicht erschien sie Sten schöner als alle Königinnen und Voivodinnen der Legenden. Wortlos trat sie an ihn heran und strich ihm sanft eine nasse Haarsträhne aus der Stirn. Er griff nach ihrer Hand und drückte sie einen Augenblick gegen seine Wange.
»Sei vorsichtig«, verlangte sie, und er nickte stumm.
»Versprich es mir.«
»Ich verspreche es«, gelobte Sten.
»Du lügst«, meinte Viçinia freundlich.
Der junge Krieger grinste. »Tu nicht so, als ob du mich nicht wiedersehen würdest.«
Sie lächelte, als sie sich daran erinnerte, dass sie dieselben Worte zu ihm gesagt hatte, vor einer Ewigkeit, wie es Sten erschien. Ihre Finger berührten sein Gesicht.
»Alle unsere Wege sind dunkel und gefahrvoll in nächster Zeit. Ich möchte dich nicht noch einmal verlieren, Sten.«
Die Geister wissen, dass ich dich nicht verlassen will!, dachte Sten, aber laut sagte er: »Das wirst du nicht. Ich komme so rasch ich kann nach Désa.«
Einen Augenblick zögerte er, noch immer die Hand auf ihrer. Dann beugte er sich vor und umarmte sie. Sie schlang die Arme um seinen Hals, und einen zeitlosen Augenblick verharrten sie so.
»Sichere Wege, Sten cal Dabrân«, flüsterte Viçinia.
»Sichere Wege, Viçinia cal Sares.«
Daraufhin wandte sie sich ab, wobei Sten ein Glitzern in ihren Augen zu sehen glaubte. Weint sie?, wunderte sich der Krieger, doch die einsetzende Dunkelheit und der Regen hielten Tränen verborgen.
Wenige Herzschläge später trieben die fünf Wlachaken ihre Pferde an, und die kleine Gruppe ritt auf den Pfad, um das letzte Licht des Tages so gut wie möglich zu nutzen. Laut Vangeliu mündete der Pfad bald in einen größeren Weg, der im Norden zu einer Fährstation führte und im Süden nach Dabrân. Letzterem würden die Wlachaken zunächst folgen, um dann die Stadt zu umgehen und auf geheimen Wegen ins Mardew zu gelangen.
Sichere Wege, wiederholte Sten in Gedanken und sah den Reitern noch lange nach, auch nachdem sie schon im Zwielicht verschwunden und die Hufe ihrer Pferde verklungen waren. Dann wandte er sich an Vangeliu, der neben ihm stand.
»Lass uns reingehen, Alterchen. Bald werden die Trolle aufwachen, und wir haben ihnen einiges zu berichten.«
Mit einem Brummen folgte ihm der alte Mann, und Sargan sah von seinem warmen Platz vor dem Feuer auf: »Nur wir drei Männer, hm?«
»Und die Trolle«, sagte Vangeliu mit einem
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