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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Tal von Désa zu reiten bedeutete heimzukehren. Links und rechts erhoben sich die Flanken der Berge, und in vielen Dutzend Schritt Höhe konnte sie die beiden Türme sehen, die Zwillinge, die nur über schmale Pfade in den Felswänden zu erreichen waren und eine ständige stumme Wacht über das Tal hielten. In den Schießscharten flackerten Lichter, die bewiesen, dass die Wlachaken immer wachsam waren – und es sein mussten. Von dort oben würden neugierige Blicke ihren Weg verfolgen, und Läufer würden die Ankunft von Fremden melden, die auf erschöpften Pferden durch den Regen ritten. Von unten war es beinahe unmöglich, an die Türme zu gelangen, denn die felsigen Wände des Désa-Tals waren hier viel zu steil und glatt.
    Nun war der Weg nicht mehr weit, und es erschien gewiss, dass sie die Stadt und die Feste Désa vor Einbruch der Nacht erreichen würden. Ein Glück, dachte Viçinia froh. Noch eine Nacht in der Kälte, und ich hätte jegliche Hoffnung für Suhai verloren.
    Stumm fragte sich die Wlachakin, ob man schon von ihrer bevorstehenden Ankunft wusste, und tatsächlich sahen sie kurz vor Erreichen der Stadt einen Trupp Berittener im vollen Galopp auf sie zuhalten. Als die Gerüsteten näher kamen, erkannte Viçinia zu ihrer Freude Neagas, einen alten Kämpen, der schon in der Herbstschlacht die Reiterei der Wlachaken angeführt hatte. Der große, schlanke Mann trug keinen Helm, und das dunkle, grau gesprenkelte Haar wehte im Wind, als er an der Spitze seiner Krieger auf sie zu donnerte, nur um einige Schritt vor ihnen anzuhalten und sich im Sattel aufzurichten.
    »Herrin Viçinia!«, rief er erstaunt. »Welche Freude, Euch zu sehen!«
    »Die Freude liegt ganz bei uns, Neagas«, antwortete die Wlachakin mit einem warmen Lächeln. »Doch wir müssen uns beeilen. Wir haben einen Verletzten, der dringend die Hilfe eines Heilers benötigt!«
    »Natürlich«, erwiderte der Krieger und befahl seinen Untergebenen: »Geleitet sie in die Stadt und bringt sie in die Feste. Du, reite voraus, melde die Ankunft der Herrin und besorge einen Heiler!«
    »Frag nach Cartareu!«, rief Viçinia der jungen Frau hinterher, die ausgeschickt worden war, doch Neagasentgegnete traurig: »Cartareu wandelt auf anderen Pfaden, Herrin, er hat uns im Sommer verlassen.«
    »Oh«, sagte Viçinia leise und strich sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht. »Ein großer Verlust.«
    »Nicht der einzige, Herrin, nicht der einzige. Doch lasst uns schnell reiten. Eure Schwester wird über Eure Ankunft sehr froh sein.«
    Also ritten sie, so schnell die erschöpften Tiere noch konnten, und erreichten Désa, die einzige Stadt im Mardew, die sich am Ende des Tals zwischen die mächtigen Flanken der Berge duckte. Hinter der Stadt erhob sich die Festung auf einem Felsplateau, die letzte Rückzugsmöglichkeit bei einem Angriff und Sitz von Viçinias Familie seit dem Einfall der Masriden. Die Stadt selbst war von einer trutzigen Mauer umgeben, die an den Seiten in die felsigen Wände überging. Eine zweite Wehrmauer trennte Stadt und Feste, sodass ein einfallender Feind erst einmal zwei Wälle überwinden musste, bevor er die Burg selbst angreifen konnte. Im Lauf der Jahre war die Stadt immer weitergewachsen, denn viele der vertriebenen Wlachaken lebten hier in einer Art von Exil. Inzwischen waren so manche Gebäude vor den Mauern errichtet worden, alle aus demselben dunklen Gestein, das die Menschen des Mardews seit vielen Jahrhunderten aus den Felsen der Sorkaten schlugen.
    Niemand schenkte der kleinen Gruppe große Beachtung, als sie durch die engen Straßen ritt, doch im Hof der Festung herrschte einiges Durcheinander. Der Aufstieg zur Burg war steil und schmal und die Mauern hoch und wehrhaft. Es gab nur den einen Zugang, denn die Felswand fiel hier annähernd dreißig Schritt senkrecht ab, und darüber erhoben sich noch die Mauern, von denen aus die Verteidiger die gesamte freie Fläche zwischen Stadt und Feste kontrollierten. Nach bestem Ermessen war die Burg so gut wie uneinnehmbar, und Ionna hatte die Verteidigungsanlagen stets instand gehalten und vor der Herbstschlacht sogar noch verstärken lassen.
    Als Viçinia an der Spitze ihres kleinen Trupps in den Burghof einritt, klopfte ihr Herz wild. Zu Hause, dachte sie erleichtert.
    Soldaten liefen umher, Bedienstete nahmen ihnen die Pferde ab, und man kümmerte sich gleich um Suhai, doch Viçinia hatte nur Augen für die große Frau, welche die Türen zum Palastgebäude aufstieß, sodass sie

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