Die Trolle
gehen.«
»Noch lebt er«, warf Viçinia ein.
»Ja, noch lebt er. Und das ist gut, denn wir werden ihn brauchen. Wenn es Krieg gibt, wird es Entbehrungen geben, große Entbehrungen. Es wird nicht leicht werden, und Sten schenkt den Menschen Hoffnung.«
»Du schenkst den Menschen auch Hoffnung, Ionna.«
»Ich führe sie und schenke ihnen Zuversicht. Aber ich kann nicht überall sein. Und dem einfachen Volk ist Sten viel näher als ich«, erklärte die Voivodin.
Angespannt musterte Viçinia ihre Schwester. Irgendetwas ging ihr im Kopf herum, beschäftigte sie, ohne dass sie es aussprach. »Warum wolltest du mit mir sprechen?«, fragte sie unvermittelt.
Bedächtig legte Ionna den Kopf auf die Seite und sah die Jüngere an.
»Die Herbstschlacht hat mir gezeigt, dass wir allein zu schwach sind, um Zorpad zu schlagen. Vielleicht immer zu schwach sein werden«, sagte sie langsam. »Ich habe schon länger überlegt, ob wir nicht neue Verbündete brauchen.«
»Neue Verbündete? Aber wen willst du für den Kampf gegen Zorpad gewinnen?«, fragte Viçinia verwirrt.
»Andere Masriden. Die Widersacher des Marczegs.«
»Du willst einen Pakt mit den Herren des Valedoara und des Cireva schließen?«
»Wenn es sein muss.«
»Aber sie sind Masriden! Selbst wenn sie Zorpad hassen, so hassen sie uns doch noch mehr! Was wäre ein solches Bündnis wert, selbst wenn wir siegen würden? Sie würden sofort über uns herfallen, sobald Teremi in ihren Händen ist.«
»Dann müsste man ein Pfand haben, das ein solches Bündnis auch für die Zukunft festigt«, sagte die Fürstin mit auffallend ruhiger Stimme.
»Ein Pfand? Was für ein Pfand kannst du meinen?«
»Eine Hochzeit. Laszlár Szilas, der Herr des Valedoara, ist noch ein recht junger Mann. Ihm wäre an einem Bündnis mit dem Mardew gelegen und …«
»Und mich kannst du verschenken wie eine Kiste billigen Schmuck, um den Drachen gnädig zu stimmen«, unterbrach sie Viçinia mit eiskalter Stimme, der endlich aufging, was ihre Schwester von ihr wollte.
Ionna sah ihr direkt in die Augen. Kein Muskel in ihrem Gesicht rührte sich. »Eigentlich hatte ich Suhais Schwester Jolea diese Rolle zugedacht. Aber eine Ehe mit dir wäre ein weitaus besserer Garant für einen dauerhaften Frieden. Du darfst nicht vergessen, dass es mehr ein symbolischer Akt wäre. Ich bezweifle, dass Szilas darauf bestehen würde, dass du mit ihm in Bracaz lebst.«
Die Gedanken in Viçinias Kopf überschlugen sich. Ihre Schwester plante, sich mit den Masriden zu verbünden? Sie sollte einen von ihnen heiraten?
Vor das verschwommene Bild eines gepanzerten Mannes, der den Drachen als Wappentier auf dem Schild trug, schob sich plötzlich das schmale Gesicht von Sten cal Dabrân.
»Ich kann Laszlár Szilas nicht heiraten«, stammelte sie und hörte selbst, wie schwach ihre Worte klangen. »Ich liebe einen anderen. Ich liebe Sten.«
Für einen Wimpernschlag stahl sich ein Lächeln auf Ionnas Gesicht, doch dann verhärteten sich die Züge der Fürstin, und sie sagte: »Das ist Unsinn.«
»Nein. Ich liebe ihn«, erwiderte Viçinia hitzig.
»Er ist ein Geächteter und immer auf der Suche nach Ärger, Viçinia. Eines Tages wird sein Glück ihn verlassen, und dann …«
»Was dann?«, fragte Viçinia zornig. »Dann hättest du die Möglichkeit vertan, mich meistbietend zu verschachern?«
»Ich will nicht, dass du dich unglücklich machst! Eine politische Ehe kostet dich wenig mehr als ein bisschen Stolz, aber Stens Tod würde dir das Herz brechen! Und irgendwann wird niemand da sein, der ihn rettet. Keine Trolle, kein Natiole Târgusi, keine Flores cal Dabrân, niemand!«
»Wir riskieren doch auch unser Leben!«, warf Viçinia ein, doch Ionna schüttelte den Kopf: »Nicht wie er. Du weißt, dass ich Recht habe. Schwester, ich will nur das Beste für dich.«
»Das Beste? Du willst mich Zorpads Rivalen überlassen und nennst dies das Beste?«
Ionna hob die Stimme, in der nun kaum unterdrückte Wut mitschwang: »Ich bin das Haupt dieser Familie. Vergiss das nicht. Wenn es so weit ist, wirst du jemanden heiraten, der uns dabei hilft, unserem Volk den Frieden zu bringen. Du wirst unser Haus mit einem anderen, mächtigen Namen verbinden, wie es deine Pflicht ist«, erwiderte die Fürstin hart.
»Meine Pflicht, ja«, entgegnete Viçinia kalt. »Wie Ihr wünscht, Herrin. Darf ich mich zurückziehen, Voivodin? Ich habe vieles, über das ich nachdenken muss.«
Huldvoll neigte Ionna das Haupt, und Viçinia ging
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