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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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anfreunden könnte. In den Schatten der Ecke raschelte es erneut, und so zog er sich bedächtig rückwärts gehend zurück.
    Gerade als sein Fuß das Loch des Belüftungsschachts fand, sprang die Kreatur ihn an, und nur ein beherzter Sprung zur Seite rettete Sargan vor der großen Spinne, die ihn aus acht kalten, starren Augen musterte, während sie langsam an der Decke kreiste. Entsetzt starrte Sargan auf das Tier, dessen mit schwarzen Haaren besetzter Leib sicherlich eine Elle oder mehr im Durchmesser maß. Dazu kamen die kräftigen, ebenfalls behaarten Beine und zwei große, gefährlich aussehende Mandibeln. Bei jeder Bewegung machte das Untier leise, kratzende Geräusche. Unvermittelt sprang es wieder vor, und auch wenn Sargan dem Biss der Spinne entgehen konnte, so fuhr doch ein hartes, raues Bein über sein Gesicht und riss ihm die Wange auf. Es fühlte sich an, als würden Dutzende von Nägeln über seine Haut gezogen, und er schrie auf, erfüllt von Schmerz und Ekel. Aber ihm blieb keine Zeit, sich um die Wunde zu kümmern, denn das Spinnenbein grub sich in sein Hemd, und er wurde nach vorne gerissen, direkt auf die feucht glänzenden Mandibeln der Riesenspinne zu.
    Nur ein verzweifelter Hieb mit dem Dolch – der zwar sein Ziel verfehlte, die Spinne aber dazu brachte zurückzuspringen – rettete ihn vor dem Biss, der sicherlich dank des Giftes tödlich gewesen wäre. Doch jetzt hatte Sargan den Halt verloren. Bevor er das Gleichgewicht wieder fand, stolperte er in die Öffnung des Schachtes und stürzte in die dunkle Tiefe.
    Verzweifelt stemmte er sich gegen die rauen Felswände, um den Fall zu bremsen, und schrie auf, als das Gestein erst seine Kleidung und dann die Haut aufscheuerte und er sich Oberarme und Beine blutig rieb. Schließlich hatte er sich so weit gefangen, dass er keuchend und stöhnend mitten im Schacht hing. Nein, Sargan, dachte er sarkastisch, sie werden schon keine Hunde haben. Natürlich nicht, die brauchen sie auch nicht, weil sie verfluchte Monsterspinnen haben, du Idiot!
    Vorsichtig betastete er seine Wunden und verzog das Gesicht, als er das Blut spürte. Er warf einen grimmigen Blick nach oben, doch dann kam ihm ein Furcht einflößender Gedanke: Konnte dieses Vieh am Ende durch die Schächte kriechen?
    Angestrengt lauschte er, konnte über sich jedoch keinerlei Bewegung oder Geräusch wahrnehmen. Einen Augenblick überlegte er, ob er wieder hinunterklettern sollte, um einen anderen Ausgang aus dem Belüftungssystem zu finden, doch dann entschied er sich dagegen. In seinem Zustand würde jede lange Kletterpartie zur Qual werden, und er konnte nicht wissen, ob die anderen Ausgänge nicht ähnlich gefährlich waren wie dieser hier. Also musste er an der Spinne und ihren Netzen vorbei. Zum Glück waren diese anscheinend nicht stark genug, um einen Menschen festzuhalten, sonst wäre das Ganze noch schlimmer ausgegangen.
    Während er darüber nachdachte, kam ihm plötzlich ein Bild aus seiner Kindheit in den Sinn: seine Mutter, die einen wertvollen Kerzenstummel entzündete, um die Spinnennetze in den Ecken ihres winzigen Zimmers zu verbrennen. Das Bild zauberte ein finsteres Lächeln auf seine Lippen. Entschlossen kletterte er ein ganzes Stück hinauf, bis er in Sichtweite der Nische verharrte. Dann stemmte er sich mit den Schultern und Beinen in eine feste Position und kramte mit einer Hand in seinem umgeschnallten Beutel, bis er Lampe, Feuerstein und Zunder zu fassen bekam. Umständlich hantierte er mit dem Feuerstein, bis es ihm gelang, den Zunder zu entfachen und den Docht der Laterne zu entzünden. Dabei verbrannte er sich wegen der Enge empfindlich die Finger. Leise fluchend ließ er den glimmenden Zunder fallen und verstaute seine Gerätschaft bis auf die Lampe, die er vorsichtig in einer Hand hielt.
    Der restliche Aufstieg war qualvoll, aber mit eiserner Willenskraft schob sich Sargan Stück für Stück näher an die Freiheit. Als er sich erneut knapp unterhalb der Öffnung befand, öffnete er die kleine Tür der Laterne und hielt die flackernde Flamme an die klebrige Netzmasse. Sofort leckte eine Flammenzunge an der Wand empor, und kurz darauf erfüllte ein helles Licht den engen Schacht.
    Vorsichtig ließ Sargan sich ein wenig hinab und wartete einen Augenblick ab. Über ihm knisterte das Feuer, und dann hörte er noch einen anderen Laut, eine Art schrilles Kratzen, das jedoch mit den Flammen erstarb, die genauso schnell wieder verschwanden, wie sie aufgelodert waren.

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