Die Trolle
und von dort aus konnte Sargan weiterziehen. Es war ihm nicht bekannt, dass die Zwerge in Ardoly Siedlungen außerhalb ihrer Hallen unter den Bergen unterhielten, also war es wahrscheinlich, dass der nächste Ort von Menschen bewohnt war. Dort würde er mit einer entsprechenden Tarnung und einer guten Geschichte halbwegs unauffällig auftreten und sich auch wieder mit Ausrüstung und Nahrung eindecken können. Mit ein wenig Glück konnte er dort sogar nach den Verbindungen forschen, die das Kleine Volk in Ardoly pflegte. Blieb nur der Weg durch den uralten Wald des Landes, dessen Gefahren er trotzen musste.
Natürlich lag die kleine Stadt am Magy, dessen Fluten hier schon viele Dutzend Schritt breit waren, bevor sie in den Kavernen unterhalb der östlichen Sorkaten verschwanden. Von seiner Warte aus beobachtete Sargan das Treiben in der Stadt, die in einer weit gezogenen Biegung am Nordufer lag, und sah zu, wie ein großer Frachtkahn den Strom hinunterkam und träge zu einem der Kais trieb, wo er anlegte und sogleich entladen wurde. Der Anblick erinnerte den Menschen an die Szenen, die er unter den Bergen in den geheimen Häfen des Kleinen Volkes gesehen hatte, auch wenn die Beteiligten hier Menschen waren und keine Zwerge. Kurz fragte er sich, weshalb die Zwerge nicht einfach mit Kähnen von dieser Stadt aus losfuhren, sondern erst den mühseligen Weg mit den Karren auf sich nahmen, aber da er darauf keine zufrieden stellende Antwort fand, kümmerte er sich wieder darum, mehr über die Siedlung herauszufinden.
Wenn ihn sein Gedächtnis nicht trog, dann musste das Turduj sein, eine der größeren Städte des Landes und Stammsitz von Gyula Békésar, dem mächtigsten Fürsten des östlichen Ardolys. Über die Probleme der Masriden untereinander und ihren Konkurrenzkampf um die Krone des Landes gab es zahlreiche Berichte in Dyria. Der Herr über Turduj war ein Mitglied des so genannten Triumvirates, dessen Mitglieder das Land unter sich aufgeteilt hatten, wenn man einmal von den wenigen unwirtlichen Gebieten absah, die noch von Wlachaken beherrscht wurden. Der mächtigste Fürst war Zorpad Dîmminu, der den Westen fast zur Gänze beherrschte. Seine beiden Rivalen Gyula Békésar und Laszlár Szilas saßen im Osten des Landes. Soweit Sargan wusste, gab es ein brüchiges Bündnis zwischen Laszlár und Gyula, die allein kaum gegen ihren starken Nachbarn Zorpad hätten bestehen können. Allerdings würde dieses Bündnis wohl nur so lange halten, wie eine Bedrohung von Zorpad ausging, denn jeder der drei Fürsten beanspruchte den Thron über ganz Ardoly für sich, weil sie jeweils von einem anderen Sohn des letzten und einzigen Masriden-Königs abstammten, der je über Ardoly geherrscht hatte.
Es war ein empfindliches Gleichgewicht, das seit zwei Jahrhunderten herrschte und das erst vor wenigen Jahren durch Zorpads siegreiche Feldzüge ins Wanken geraten war. Und irgendwo gab es auch noch die freien Wlachaken, die seit ihrer Unterwerfung im Jahre 732 nur darauf warteten, die fremden Herren wieder aus ihrem Land zu vertreiben. Alles in allem eine komplizierte und gefährliche Lage, die das ohnehin geplagte Land weiter beutelte.
Aber Sargan hatte eine Aufgabe zu erfüllen, und durch reines Beobachten würde ihm dies kaum gelingen. Also machte er sich auf den Weg und schlug einen weiten Bogen um die Stadt, damit er sie durch ihr westliches Tor betreten konnte.
»Halt!«, befahl die Torwache wie erwartet, und Sargan blieb stehen und sah die junge Frau an, die ihn mit wachen Augen misstrauisch musterte. Ihre Rüstung war von guter Machart, metallene Platten, die auf dickes Leder genäht waren, und sie trug einen kleinen Schild und einen Speer sowie einen Helm aus Leder, der ihr helles Haar fast gänzlich verbarg. Das einfache Bildnis auf dem lederbespannten Schild zeigte den Greifen, das Wappentier des Hauses Békésar. Anders als im Imperium, wo die Kunst der Heraldik gepflegt wurde, gab es in Ardoly kaum mehr als krude Bilder auf den Bannern und Schilden, mithilfe derer die Soldaten Freund und Feind erkennen konnten. Doch Sargan behielt seine abwertende Meinung über die Menschen und das Land hier lieber für sich und lächelte die Wache an.
»Wer bist du, und was ist dein Begehr?«, verlangte die Wache von ihm zu wissen, offensichtlich von seinem mitgenommenen Äußeren alarmiert. Also gab er ihr die Antwort, die er sich auf dem Weg zurechtgelegt hatte: »Mein Name ist Sargan von Masya, ich bin ein wandernder Gelehrter
Weitere Kostenlose Bücher