Die Trolle
großzügig bemessen, da er nur das Allernötigste eingepackt hatte. Vor allem seine Essensrationen würden ihm früher oder später ausgehen, auch wenn das feste dunkle Brot in dem Wachspapier die Strapazen des Schwimmens und Kletterns erstaunlich gut überstanden hatte und kaum feucht geworden war. Allerdings war es selbst in bester Form nicht gerade ein Gaumenschmaus, und so war Sargans Abendmahlzeit im letzten Licht der Sonne alles andere als ein Festbankett.
Danach bemühte er sich, es sich so bequem wie möglich zu machen, und schloss die Augen. Die Anstrengungen der letzten Tage machten sich sofort bemerkbar, denn innerhalb kürzester Zeit war er eingeschlafen.
In den späten Stunden der Nacht wurde Sargan von einem Heulen geweckt, das, wie er hoffte, von einem Wolf stammte. Bevor er aufgebrochen war, hatte er sich gut über Ardoly informiert, und so wusste er, dass es gerade in den Wäldern durchaus schrecklichere Kreaturen als nur wilde Tiere gab. Im Augenblick konnte er sich damit jedoch nicht weiter beschäftigen, denn im Licht der Sterne wollte er den weiteren Abstieg wagen und vielleicht sogar die Sicherheit der Baumgrenze noch vor Anbruch des Tages erreichen. War er erst einmal in den mächtigen Wäldern Ardolys verschwunden, würde das Kleine Volk ihn niemals finden.
In der Dunkelheit war die Kletterpartie, die am Tage sicherlich kein Problem darstellte, schwierig und gefährlich, da Sargan den Pfad mied, der sich an die Flanke des Berges schmiegte, und einen direkteren Weg suchte, um die Suchtrupps der Zwerge zu umgehen.
Das Gelände war wohl besser für Bergziegen als für Menschen geeignet, aber Sargan schaffte es dennoch, die ersten, verkrüppelten Bäume zu erreichen, die schließlich von einem richtigen, wenn auch noch lichten Wald abgelöst wurden. Erleichtert stahl sich Sargan zwischen den Stämmen in Richtung Tal davon, bis er den Pfad wiederfand.
Da er sich recht sicher war, dass er den Zwergen, falls sie ihn so weit verfolgten, im Wald ohne Probleme entkommen konnte, blieb er auf dem Weg, ließ aber in seiner Vorsicht nicht nach. Bald erreichten die ersten Strahlen der Sonne den Boden und tauchten den Wald in goldenes Licht. Wie Finger griffen sie zwischen den Bäumen hindurch und beleuchteten den sanften Nebel, der sich am Waldboden wand. Vögel zwitscherten, hier und dort konnte der Mensch eine Bewegung ausmachen – kleine, huschende Schatten, die so schnell wieder verschwanden, wie sie auftauchten. Doch die Ruhe und der Frieden waren nicht für ihn bestimmt, das war Sargan bewusst, denn noch immer floh er vor Feinden, die seinen Tod wollten, und Ardoly war zudem ein Land voller unbekannter und urtümlicher Gefahren.
Zwar waren die Kenntnisse über das Land der Masriden und Wlachaken, die er erhalten hatte, gewiss lückenhaft und teilweise veraltet, aber alle Berichte waren sich einig, dass Ardoly ein düsteres Land war, anders als die zivilisierten Länder des Ostens, aus denen Sargan stammte. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein, was auch daran liegen mochte, dass es kaum Kontakt zwischen Ardoly und seinen Nachbarn gab. Selbst zu den besten Zeiten waren die Pässe gefährlich und kaum begehbar, und die harten Winter begruben jede Möglichkeit, mit der Außenwelt in Berührung zu kommen, unter endlosen Schneemassen.
Einzig die Zwerge hatten einen Weg, Waren und Nachrichten durch das Gebirge zu transportieren, und Sargan hatte nun ihr Geheimnis gelüftet. Doch das allein würde seinen Auftraggebern nicht ausreichen; er musste mehr über die Beziehung der Zwerge zu den Herrschern, Händlern, Reichen und Mächtigen des Landes herausfinden. Aus diesem Grunde war es vonnöten, dass er sein weiteres Vorgehen überdachte. Es war an der Zeit, die Flucht zu beenden, das Heft wieder in die Hand zu nehmen und einen Plan zu schmieden, wie er mehr in Erfahrung bringen konnte.
Trotz seiner anfänglichen Befürchtungen kam Sargan gut voran. Entweder suchten die Zwerge so tief im Tal nicht nach ihm, oder er hatte seine Verfolger einfach abgehängt. Überall an dem Pfad konnte er die Bemühungen des Kleinen Volkes erkennen, den Weg freizuhalten. Büsche und Sträucher waren gestutzt, Bäume gefällt und sonstiger Bewuchs entfernt.
Der Weg war wenig mehr als ein Karrenpfad, aber Sargan nahm an, dass die Zwerge hier ähnliche Gefährte wie unter Tage benutzten, weshalb er vollkommen ausreichte. Irgendwo würde dieser Karrenpfad entweder auf eine Straße oder auf eine Ansiedlung treffen,
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