Die Trolle
Weile schweigend weiter. Schließlich schien er jedoch einen Entschluss gefasst zu haben: »Ich will mir dieses Dorf ansehen.«
»Warum? Das bringt uns in unnötige Gefahr«, erwiderte Sten schnell.
»Wir wissen so wenig über euch Menschen. Ich will mir ein Bild machen.«
»Das kannst du auch in Teremi, ohne dabei deinen Hals sinnlos zu riskieren«, schlug Sten vor.
»In Teremi werden wir doch auch nicht willkommen sein, oder?«, fragte Druan.
Innerlich fluchte Sten über den Dickschädel des Trolls und dessen gutes Erinnerungsvermögen. Was immer die alten Geschichten über Trolle zu berichten wussten, sie schwiegen über deren Beharrlichkeit. Und darüber, dass es Trolle wie Druan gab, die schlau und gerissen oder vielleicht sogar mehr als das waren.
Die anderen Trolle waren auf ihre Art und Weise nicht dumm, aber Druan begriff und lernte scheinbar mühelos, und seine schnelle Auffassungsgabe machte es Sten tatsächlich schwer, ihn so zu beeinflussen, wie es zunächst seine Absicht gewesen war.
»Du willst nicht nach Orvol? Warum nicht?«, fragte Druan unschuldig.
Der junge Krieger entschied sich für die Wahrheit: »Es ist mir zu gefährlich. Für euch, für die Menschen dort und für mich. Du bist vielleicht vernünftig, aber was ist mit den anderen? Wenn die Menschen euch entdecken, dann werden sie Angst bekommen. Und dann …«
Sten ließ den Satz unvollendet, aber Druan verstand: »Du denkst, die anderen würden deine Leute angreifen.«
»Ja. Und ich würde mich dann gegen euch stellen, das weißt du«, sagte Sten leise.
Zu seiner Überraschung grinste Druan breit. »Ich weiß das. Und wir respektieren es, selbst Pard, auch wenn er es nicht zugeben würde.«
Der große Troll vor ihnen drehte sich bei der Erwähnung seines Namens um und musterte sie finster. »Was ist mit mir?«
»Nichts«, antwortete Druan, und Sten fügte noch hinzu: »Wir sprachen nur gerade von dem Respekt, den wir dir zollen.«
Misstrauisch sah Pard sie an, doch ihre Miene verriet ihm nichts, also sagte er: »Verdammte lose Zungen. Eines Tages könnt ihr sie zusammenknoten und ein Seil draus machen. Du bist schon ein halber Mensch, Druan, ständig am Schwätzen!«
Mit einem dröhnenden Lachen winkte Druan ab, doch Stens Laune hatte sich durch den kleinen Schlagabtausch mit dem riesigen Troll nicht verbessert.
»Du machst dir viele Sorgen, Sten«, sagte Druan. »Vielleicht zu viele?«
Fragend sah Sten den Troll an.
»Die Dinge geschehen, wenn sie geschehen«, erklärte Druan gelassen.
»Nur, wenn man sie geschehen lässt. Mir ist es lieber, wenn ich die Dinge selbst in die Hand nehmen kann.«
»Warst du deshalb in dem Käfig?«, erkundigte sich Druan verschmitzt.
»Ich weiß nicht, was das alles soll«, entgegnete Sten, plötzlich gereizt. »Ich halte einen Abstecher nach Orvol für gefährlich. Was gibt es da mehr zu sagen?«
»Und ich will es sehen. Zur Not gehe ich eben ohne dich dahin«, stellte Druan streitlustig fest. Wütend starrte Sten ihn an und überlegte sich, dass die Trolle noch mindestens einen Tag irgendwo im Wald schlafend verbringen würden, bis sie Orvol erreichten. Zeit genug, um seine seltsame Verbindung zu ihnen ein für alle Mal aufzulösen. Doch Druan überraschte ihn ein weiteres Mal. »Was ist, wenn wir allein gehen?«
»Ihr wollt ohne mich gehen? Was soll daran besser sein? Dass ich eure Schandtaten nicht mit ansehen muss?«, entgegnete Sten abfällig.
»Nein, ich meine wir, du und ich«, erwiderte Druan, ohne auf die Beleidigung einzugehen.
Verblüfft dachte Sten über den Vorschlag nach. Von den fünf Trollen in seiner Begleitung war Druan ohne Frage der einsichtigste. Natürlich hatte er einen sturen Kopf, aber er verstand, dass die Trolle sich auf gefährlichem Gebiet bewegten und auf Hilfe angewiesen waren. Vermutlich würde er auf Sten hören, und ein einzelner Troll war bei weitem nicht so gefährlich wie diese ganze Rotte hier, deren Gemüter sich nur allzu leicht erhitzten.
»Also gut«, gab Sten nach, »wenn du dir das Dorf nur ansehen willst, dann könnten wir die Gegend zusammen erkunden. Aber du solltest tun, was ich dir sage. Und wir halten Abstand.«
»Klar«, antwortete Druan schulterzuckend und wandte sich ab. Sten marschierte allein weiter, und es gingen ihm viele Fragen durch den Kopf, unter anderem die, wer hier eigentlich wen manipulierte.
Diesmal fanden sie kein geeignetes Versteck für den Tag, was bei den Trollen einigen Ärger auslöste. Es kam zu einer langen
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