Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
wieder ein Schmunzeln unterdrücken, „Madame Beauté. Und ich werde ganz bestimmt sofort aufs Knöpfchen drücken, wenn ich etwas brauche.“
Rachel strahlte, als hätte Melanie ihr soeben ein wunderbares Geschenk oder zumindest ein Riesenkompliment gemacht. Vermutlich hatte sie an einem dieser Motivationsmarathons teilgenommen, bei denen mehreren Hundert Teilnehmern mit einem lautem „ Chakka-Chakka !“ eingetrommelt wurde, dass Kunde und Kundin ungeachtet ihrer tatsächlichen Herkunft grundsätzlich royaler Abstammung waren und es eine Ehre war, ihnen rund um die Uhr zu Diensten sein zu dürfen.
Rachel huschte in ihrem pinkfarbenen Overall davon wie ein diensteifriger Schatten, und Melanie kam zum ersten Mal an diesem ereignisreichen Vormittag zum Nachdenken.
Zumindest hatte sie es vor, aber der Anrufer auf ihrem Handy hatte ganz offensichtlich andere Pläne mit ihr.
„ Es ist doch nicht zu viel verlangt,“, Thomas hob in einer Weise, die ihr jedes Mal den Blutdruck in die Höhe trieb, die Stimme, „dass die Frau, mit der man zusammen ist oder jedenfalls“, die Stimme kletterte in eunuchenverdächtige Höhen, „glaubt zusammen zu sein, einen anruft, wenn sie auf der anderen Seite der Erdkugel angekommen ist, oder?“
Melanie atmete hörbar aus, und es war ihr inzwischen egal, wie er das deuten würde. Er redete jetzt seit fünf Minuten ununterbrochen auf sie ein, eine Flut aus Vorwürfen, Fragen und lächerlichen Beschuldigungen, auf die sie unmöglich in den noch verbleibenden fünf Minuten angemessen reagieren konnte.
„ Erstens ist es nicht die andere Seite der Erdkugel, und zweitens muss ich jetzt los, ich habe jetzt gleich einen Behandlungstermin. Ich rufe dich heute Abend an, okay?“
Melanie versuchte, einigermaßen ruhig zu bleiben, damit das Gespräch nicht das ungute Ende nahm, das eigentlich schon vorprogrammiert war.
„ Das ist typisch, immer wenn’s ernst wird, hast du angeblich irgendeinen wichtigen Termin!“ Thomas schnaubte verächtlich in den Hörer. „Und was heißt überhaupt Behandlungstermin ? Ich denke, du bist in einem Fernsehstudio?“
Melanie hasste solche Fragen wie die Pest. Thomas war so eifersüchtig, dass er hinter jedem neurologisch bedingten Augenzwinkern eines zufällig vorbeilaufenden Mannes einen Frontalangriff auf seinen Besitz vermutete. Allein schon die Vorstellung, jemandes Besitz zu sein, verursachte ihr Magendrücken, aber bei Thomas fühlte man sich tatsächlich in gewisser Weise vereinnahmt. Sie ahnte, dass es Zeit wurde, die ursprünglichen Besitzverhältnisse wieder herzustellen.
„ Ich rufe dich heute Abend an, Thomas! Jetzt muss ich los. Ciao!“
Sie wartete seine Erwiderung gar nicht erst ab, sondern unterbrach ganz einfach die Verbindung.
Sie war schon an der Zimmertür, als sie plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Der Donut ! Dieser widerliche klebrige, weiche Donut aus dem Flugzeug in ihrem schönen Pradatäschchen! Sie hatte seit der Landung nur zwei Mal, nach der Taxifahrt und an der Hotelrezeption, kurz und oberflächlich in ihre Handtasche gesehen, der Donut war ihr dabei völlig entgangen. Sie riss den Schrank auf, nahm ihr Lieblingsstück heraus und griff mit spitzen Fingern hinein. Der Beutel aus dem Flugzeug war zwar aus Papier, aber Gott sei Dank erstaunlich widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit gewesen: Der Donut klebte an der Innenseite der Tüte, aber die Tüte klebte nicht an der Innenseite der Tasche. Mit angewidertem Gesichtsausdruck warf Melanie sie in den Papierkorb unter dem Schreibtisch. Eines war sicher: Sie würde niemals freiwillig einen dieser fettigen, widerlich klebrigen, kalorienreichen Figursaboteure zu sich nehmen.
Hätte ihr jemand gesagt, dass sie das schon sehr bald nicht nur einmal, sondern unzählige Male und in allen nur denkbaren kulinarischen Variationen und nicht nur freiwillig, sondern sogar mit unverhohlenem Genuss tun würde, dann hätte sie ihn für verrückt erklärt.
Gott sei Dank sagte ihr das aber niemand, und so eilte sie unbelastet von den turbulenten Ereignissen der Zukunft mit dem Plan in der Hand in Richtung Behandlungsraum Melany und Madame Beauté.
„ Bonjour, Mademoiselle Vetter! Ich freue mich sehr, dass ich Sie mit unseren exklusiven Behandlungen und Produkten durch diese Woche begleiten darf! Bitte nennen Sie mich einfach Madeleine!“
Ein zierliches Persönchen mit kunstvoll aufgesteckten schwarzen Haaren und pinkfarbenem bodenlangem Kimono kam mit ausgebreiteten
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