Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
Therapeuteninstinkt weckte. Sie wollten um jeden Preis diejenige sein, die ihm bewiesen, dass der wirkliche Grund seiner vermeintlichen Beziehungsunfähigkeit darin lag, dass er bisher ganz einfach die falschen Frauen getroffen hatte. Sie würden ihm zeigen, dass er durchaus lieben konnte, nämlich sie, und danach würde er sie selbstverständlich heiraten und bis an ihr Lebensende als seine Retterin auf Händen tragen und nur ab und zu kurz auf einem bereitstehenden goldenen Sockel absetzen.
Glamour überlief trotz des heißen Wassers eine Gänsehaut. Er würde Erica so schnell wie möglich mit irgendeiner guten Ausrede wieder aus seinem Leben entfernen müssen, bevor er sie als Fettkloß am Hals hängen hatte. Er könnte eine angeblich plötzlich aus der Versenkung aufgetauchte todkranke Erbtante ins Feld führen, der er die letzten Monate mit seiner ungeteilten Aufmerksamkeit verschönern wollte, oder vielleicht eine ansteckende Krankheit, die ihn zwang, sich von Frauen, die noch Kinder wollten, fernzuhalten. Dass Erica unbedingt Kinder wollte, hatte sie ihm bereits wenige Minuten nach der Aufzeichnung der Talkshow erzählt.
Ihm würde schon noch etwas Überzeugendes einfallen, da war er sich sicher.
„ Das ist wirklich sehr, sehr traurig, Darling!“
Glamour besaß eine fast magische Begabung im absolut glaubwürdigen Vortäuschen unterschiedlichster Emotionen, was ihm schon im Internat außerordentlich hilfreich gewesen war, wo sie ihn mehrfach vor Prügeln, Verweisen und miserablen Noten gerettet hatte. Nachdem er als Kind mehrere Male in ein überaus heftiges Gefühlskarussell hineingeworfen worden war, hatte er schon früh beschlossen, das Leben ganz einfach wie einen ruhigen Fluss an sich vorbeiziehen zu lassen, dem man zuschaute, aber sich nicht davon berühren, geschweige denn hineinziehen ließ. Als Folge davon war er unfähig geworden, intensivere Gefühlsregungen zuzulassen und damit gezwungen, sich für Fälle, in denen Emotionen nützlich sein konnten, ein Repertoire von glaubwürdig wirkenden Imitationen zuzulegen. Die feinen Abstufungen der einzelnen mimischen Ausdrucksformen hatte er jeweils mit unterschiedlichen Namen aus der Welt von Schauspiel und Film, Märchen und Sagen belegt, wobei sein absoluter Favorit die Figuren waren, die Shakespeares Genialität erschaffen hatte.
So gab es die von Goethe inspirierte Miene Mephisto für Fälle, in denen Schlimmeres nur noch durch das Vortäuschen des abgrundtief Diabolischen abgewendet werden konnte, oder Miene Don Camillo für Situationen, wo es äußerst vorteilhaft war, zu wirken, als sei man die Unschuld in Person, während man in Wirklichkeit hinter dem Rücken schon die Keule schwang.
Glamour entschied sich jetzt für Miene Romeo, die seiner Einschätzung nach ungefähr dem Mienenspiel Romeos entsprach, kurz bevor er mit seiner Julia verschied. Es sah aus, als würde er jeden Moment vor Kummer in Tränen ausbrechen. In Wirklichkeit hoffte er, dass Erica schnellstens verschwand, damit er ausgiebig Schaumbad, Champagner und Zigarillos genießen konnte.
Er griff nach einem der Gläser.
„ Dann lass uns wenigstens kurz darauf anstoßen, dass es beim nächsten Mal keine Störungen mehr gibt!“
Es würde beim nächsten Mal keine Störungen geben, weil es kein nächstes Mal mehr gab, aber das brauchte, sie ja nicht zu wissen.
Erica war gerührt. Was für ein Mann! Ein Mann, der ganz offensichtlich einer Gefühlstiefe fähig war, die die meisten Männer vermissen ließen – jedenfalls die, die sie bisher kennengelernt hatte, und das waren nicht wenige gewesen. Und er sah auch noch so dramatisch gut aus, dass ihm vermutlich die Frauen wie ein Fliegenschwarm folgten, wenn er irgendwo auftauchte. Ein Jammer, dass er ihr zu verstehen gegeben hatte, dass er keine feste Beziehung wollte. Wie einfach wäre alles gewesen, wenn er gesagt hätte, dass er zu einer wirklichen Beziehung nicht fähig sei, denn dann hätte sie ihm beweisen können, dass er bisher nur an die falschen Frauen geraten war.
Sie nahm das andere Glas und stieß mit ihm an, nippte aber nur kurz. Eine Champagnerfahne hätte die unvermeidliche Auseinandersetzung im Studio sicherlich nicht gerade erleichtert. Nach einem hingehauchten Kuss verschwand sie im Schlafzimmer, um sich anzuziehen.
„ Die nächsten Tage sind leider bis obenhin vollgepackt, aber ich melde mich bei dir, sobald ich ein ausreichend großes Zeiteckchen für uns herausschneiden kann. Versprochen,
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