Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
Schlucken hinderte, egal wie sehr sie sich auch einredete, dass das alles doch jetzt nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht war. Deshalb überlistete sie ihr überkritisches Unterbewusstsein mit einem Trick: sie biss nur noch winzige Stückchen ab.
May hätte nie gedacht, wie schwer es sein würde, ganz einfach das zu tun, was sie in ihren fiebrigsten Verzichtsträumen wie ein bissiger Hund verfolgt und gequält hatte: Futtern bis zum Abwinken. Aber mit ihrer Minibissmethode schaffte sie es immerhin auf fünf Donuts pro Tag und natürlich noch jede Menge weiterer Kalorienbomben.
„ Wenn Melanie das vorher gewusst hätte, wäre sie bestimmt gar nicht erst gekommen!“
Barry schüttelte den Kopf, er fand es ziemlich daneben, einer neuen Kollegin fünf Minuten nach ihrer Ankunft zu offenbaren, dass sie sich gefälligst zuerst einmal in eine Schönheitsfarm zu begeben hatte, um den Anforderungen des Senders an ihr Äußeres gewachsen zu sein.
„ Ich hätte bestimmt auf dem Absatz umgedreht! Aber Frauen sind da wohl einfach toleranter.“
„ Das kannst du glauben, Schatz!“, tönte es hohl unter Barrys Schreibtisch hervor. „Du kannst dir nicht vorstellen, über was ich schon so alles hinweggesehen habe bei meinem Jack! Ich sage nur: Männer!“
Gladys mächtiger Hintern ragte wie ein massiger Berg aus der Schreibtischöffnung hervor. Mit dem Scheuerlappen in der Hand krabbelte sie auf allen Vieren rückwärts heraus. Sie hatte wieder einmal einen festgetretenen Kaugummi entdeckt und ihn so lange entschlossen bearbeitet, bis er restlos beseitigt war.
„ Kannst du nicht besser aufpassen, Junge? Diese Dinger sind zäher als die gebratene Zunge eines Politikers, dafür müsste ich eigentlich ’ne Extrazulage kriegen!“
Sie stand ächzend auf und hielt Barry die Reste des Kaugummis unter die Nase.
„ So was will ich nie wieder da unten sehen, klar?“
Das sagte sie jedes Mal, und jedes Mal versprach Barry hoch und heilig, nie wieder einen Kaugummi in ihren hochglanzpolierten Boden zu treten, und ebenso unvermeidlich fand sie spätestens nach drei Tagen einen neuen, über den sie sich dann mit der von ihr gewohnten Gründlichkeit und Geduld hermachte.
„ Ja, klar, Gladys. Obwohl ich es ziemlich erotisch finde, deinen Hintern hier so rumwackeln zu sehen!“
Barry grinste. Er wusste, dass Gladys es mochte, wenn er so etwas sagte, auch wenn sie immer heftig protestierte. Dazu kam sie jetzt aber gar nicht, weil Harry Shinder wie ein Besessener schreiend und wild mit den Armen fuchtelnd hereingestürmt kam.
„ Hast du nichts zu tun, Dong? Herumhängen, Löcher in den Hintern von Gladys starren und Koffein in dich reinschütten! Das hab’ ich gern!“, er schrie so laut, dass man es vermutlich drei Studios weiter noch hörte, „Anstatt dafür zu sorgen, dass nicht jeder wild gewordene Talkshowgast einfach so hier eindringen und mich bedrohen kann!“
May und Barry warfen sich vielsagende Blicke zu. Melody streckte verschüchtert den schleifchenverzierten Kopf aus ihrem Büro. Gladys stützte ihren massigen Körper auf ihren Schrubber.
„ Jetzt mal immer mit der Ruhe, Schatz! So geht das nicht, hier herumschreien wie ein wild gewordener Gorilla! Das ist nicht gut für dein Herz, und für unsere Ohren auch nicht. Hier, nimm mal ’nen ordentlichen Schluck!“
Leise, aber nicht leise genug fügte sie hinzu: „Ist auch nicht von Melody!“
Sie hielt Harry eine der drei Kaffeetassen hin. Melody zog sich beleidigt in ihr Büro zurück. Harry gehorchte widerspruchslos und nahm einen kräftigen Schluck von dem dampfenden Gebräu. Er hatte vor nichts und niemandem Respekt oder gar Angst. Außer vor Gladys. Sie hatte ihm beim ersten Zusammenstoß, noch bevor er tief Luft zum Brüllen holen konnte, auf ihre unmissverständliche Art zu verstehen gegeben, dass sie erstens keine Angst vor ihm hatte und zweitens im Ernstfall er der Unterlegene sein würde, und das hatte ihn aus Gründen, über die May, Barry und Melody noch heute zuweilen herumrätselten, überzeugt. Jedenfalls hatte er sie von da an zuerst nur eine Weile aus respektvoller Distanz beäugt, und später dann immer mehr ihren einzigartigen Humor schätzen gelernt, der so trocken war wie sein teuerster Rotwein. Und nachdem Gladys die Einzige war, die es gewagt hatte, ihm einen Vogel zu zeigen, als er wie so oft von seiner bevorzugten Todesart, dem Ertrinken in einem großen Eichenfass mit 1888er Mouton Rothschild, schwärmte, hatte sie endgültig
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