Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
hatte vermutlich recht. Dann war immer noch genug Zeit, sich diese Argumente anzuhören, und wenn er ausnahmsweise einmal gut gelaunt war oder der andere selbstbewusst und unerschrocken genug auftrat, konnte es schon mal vorkommen, dass Harry mit einem „ Ja, ja, ist, schon gut! “ in seinem Allerheiligsten verschwand, was so viel bedeutete wie eine halbe Entschuldigung, zumindest aber Zustimmung. Echte Entschuldigungen gab es selbstverständlich nicht. Harry hätte sich eher die Zunge abgebissen, als einem anderen Menschen gegenüber zuzugeben, dass er sich im Unrecht befand, und außerdem war er sowieso grundsätzlich der Überzeugung, im Recht zu sein, egal wie die Fakten aussahen.
An dieser Rechthaberei ganz besonders Frauen gegenüber war bisher jede seiner zahlreichen Kurzbeziehungen gescheitert.
Sein Vater war von seiner Frau so lange gnadenlos unterdrückt und bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit vor anderen gedemütigt worden, bis er eines Tages in einem für alle Beteiligten überraschenden Anfall von Heldenmut das Ganze mit einem gezielten Schuss aus der Wasserpistole ihres gemeinsamen Sohnes für immer beendete. Harrys Mutter verstarb noch am Tatort, nicht an den H2O-Molekülen, sondern an einem Herzschlag, weil sie die Wasserpistole für eine echte Waffe gehalten hatte.
Das Beispiel seines Vaters hatte Harry gelehrt, dass man Frauen erstens auf gar keinen Fall die Zügel überlassen durfte, und zweitens, dass man sie am besten bereits prophylaktisch in ihre Schranken verwies, noch bevor sie überhaupt zu einer Widerrede ansetzen konnten.
Damit war er bei Frauen bisher ganz gut gefahren, er fand es jedenfalls nicht bedenklich, sondern eher praktisch, dass jede nach maximal drei Monaten die Segel strich, und selbstverständlich lag es nur an den Frauen, nicht an ihm. Er wusste, dass er überaus großzügig und als Liebhaber Casanova vermutlich sogar haushoch überlegen war. Ersteres bewies jedenfalls die brillantenbesetzte Uhr, die jede Frau nach der ersten Nacht auf ihrem Kopfkissen vorfand, und Letzteres der Berg von Kondomen, der sich nach jeder Liebesnacht regelmäßig neben seinem Bett angesammelt hatte.
Dass die Frauen die Uhr beim Abschied jedes Mal wieder abgeben mussten und es daher immer dieselbe war, die auf immer demselben Kopfkissen, aber am Arm ständig wechselnder Frauen landete, war für ihn völlig selbstverständlich und nicht erwähnenswert.
Und dass sich nur deshalb ein beachtlicher Berg Kondome ansammelte, weil es in der Regel trotz engagiertester Versuche der beteiligten Damen nichts wirklich Greifbares gab, worüber man sie hätte stülpen können, verdrängte er erfolgreich. So wurde Tütchen um Tütchen aufgerissen unter Harrys lautstarker Behauptung, sie seien ganz einfach zu klein, um sein überdimensionales Organ damit zu bekleiden, und man müsse nur die passende, selbstverständlich noch nicht in Serie befindliche Größe finden.
Harry lenkte den Wagen vorsichtig in die Einfahrt und betätigte die Fernbedienung. Eigentlich hätte er den Weg zur Garage im Schlaf hochfahren können, aber seine Panik, Jacco könnte durch eine vorwitzig in den Weg gereckte Rosenranke oder aufspritzende scharfkantige Steinchen Kratzer abbekommen, war einfach zu groß. Jacco war sein dunkelgrüner Jaguar, den er mit derselben emotionalen Intensität liebte wie andere ihr langjähriges Haustier, und er ließ ihm vermutlich mehr Zuwendung und Pflege angedeihen als so manches Herrchen seinem Lieblingshund.
Jacco war sein Freund, er wusste immer genau, wie es Harry gerade ging, und wenn Harry schlechte Laune hatte, schnurrte der Motor wie ein Kater, den man gerade ausgiebig gekrault hatte. Es gab nichts, das besser gegen seine miserable Stimmung wirkte als dieses herrliche, besänftigende Schnurren. War er gut gelaunt, sirrte die Maschine hell wie ein treffsicher abgeschossener Pfeil, und Jacco flog auch genau so elegant und schnurgerade dahin. Es war, als ließe er mit der unbändigen Kraft dieses Wagens, für die in seiner Fantasie 200 edle schwarze Araberhengste verantwortlich waren, auch ein Stück seiner eigenen Kraft freien Lauf, und fünf Minuten alleine mit Jacco auf dem Highway machten aus einem erschöpften, genervten und deprimierten Harry einen ausgeglichenen, rundum mit sich und der Welt zufriedenen Menschen.
Jacco war unersetzlich, und wer sich an ihm vergreifen sollte, wäre des Todes, soviel war sicher.
Bevor Harry ausstieg, sah er sich vorsichtig um. Man konnte nie
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