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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Gesed. »Höre, Mythor, du kannst versuchen, es selbst herauszufinden. Wenn du dabei nicht dein Leben verlierst, so doch zumindest kostbare Zeit. Tallia harrt deiner, während Eroice sie vielleicht quält! Prüfe mich! Nimm den Weg, den ich dir weise. Dort reicht ein Felsbuckel an die rückwärtige Ringmauer, von dem aus du sie leicht überwinden kannst.«
    »Kein Abschnitt der Burg wird ungeschützter als alle anderen sein, wenn Eroice keine Närrin ist«, widersprach Mythor, während er weiterstieg.
    »Natürlich nicht! Dort ist ein Trupp kalter Reiter postiert. Du mußt dich schon an ihnen vorbeischleichen. Jetzt reißt der Nebel auf. Siehst du das Langhaus mit dem Walmdach – und den Mauerabschnitt mit den beiden Türmchen dahinter? Gleich am Anfang des Halsgrabens? Geh dorthin. Es heißt, daß der Graben vor langer Zeit von einem mächtigen Gegner der Eroice mit den Steinen einer Trutzburg zugeschüttet worden sei, die er errichtete, um die Hexe in ihrer eigenen Festung auszuhungern. Eroice besiegte ihn, und sein Geist fuhr in die Trümmer, die den Graben an dieser Stelle auffüllten und zu dem festen Felsbuckel wurden, von dem ich eben sprach.«
    Mythor sah die Türmchen.
    Gesed lachte.
    »Glaubst du denn, daß ich mit der Hexe gemeinsame Sache mache? Ich habe Fehler begangen, Mythor, doch so tief kann kein Aegyr jemals sinken!«
    Was hatte Mythor zu verlieren? Er besaß keinen anderen Anhaltspunkt. Außerdem hatte er Augen und Ohren, die ihn im Fall einer Hinterlist warnen sollten. So schlug er die von Gesed gewiesene Richtung ein.
    »Du wirst sehen, ich bin aufrichtig zu dir«, flüsterte der Maskengeist. »Bevor du der Eroice gegenübertrittst, um Tallia aus ihren Klauen zu befreien und dir deine Erinnerung zurückzuholen, wisse, daß sie einst eine begehrte Mätresse bei den Aegyr war. Sie galt als die Leidenschaft, die Verführung und die Liebe an sich. Du weißt, welche Art Liebe ich damit meine. Eroice war keine Sklavin der Lust, sie war ihre Herrin!«
    »Aber keine Aegyr«, murmelte Mythor. Er spürte, wie es kälter wurde, je näher er dem Halsgraben kam, jenem schier unüberwindlich scheinenden Einschnitt im Fels um die ganze rückwärtige Hälfte der Burg herum, in dem zahllose Angreifer schon vor dem Berennen der Mauern in heruntergegossenem, brennendem Öl oder in Pfeilhageln umgekommen sein mochten. Die Mangokrieger verbargen sich in der Dunkelheit. Mythor legte sich flach hin und beobachtete.
    »Sie war keine Aegyr«, bestätigte Gesed. »Eroice und ihre Geschwister Yorne und Ceroc wurden in einer armseligen Hütte im Hinterwald als die dreifache Leibesfrucht einer Fallenstellersfrau geboren. Sie erblickten das Licht der Welt fast gleichzeitig. Ihr Vater kam nicht mehr von der Jagd zurück, und die Herrin von Burg Elschwog, Tairia te Blaun, nahm sich der Bälger an. Sie nannte sie Yorne, Eroice und Ceroc und ließ ihnen eine Erziehung wie den Kindern der Aegyr zukommen. Sie wuchsen von Liebe und Güte ummantelt auf, spielten mit jungen Aegyr, nur eines durften sie niemals: sich mit einem von ihnen verbinden! Das Geschlecht der Aegyr sollte rein bleiben. In jugendlicher Liebe zu ihren heranreifenden Spielgefährten entflammt, war das etwas, das die drei niemals zu begreifen vermochten.«
    »Sie wurden verbittert«, stellte Mythor fest, »und böse.« Von der Mauer, aus einem der Türmchen rief eine Stimme etwas. Eine andere von der anderen Seite des Grabens antwortete ihr. Mythor kroch lautlos weiter und sah bald schon den Felsbuckel, der wahrhaftig wie aus tausend riesigen Mauersteinen zusammengesetzt wirkte.
    »Vorsichtig, Mythor!« warnte die Gesed-Stimme. »Höre zuerst das Ende der Geschichte! Ja, der Keim des Neides und des Hasses wuchs in den jungen Herzen der Kinder. Zunächst aber blieben sie in den Diensten der Aegyr. Yorne wurde zur Erzieherin des reinblütigen Nachwuchses, und mit der Zeit entwickelte sie sich zu einem häßlichen Weib, das bald der Schrecken aller Aegyr-Sprößlinge war. Eroice bildete ihr genaues Gegenteil. Sie war schön, und wurde von Jahr zu Jahr schöner. Ihr Körper war dazu angetan, einen jeden Mann zu ihrem Sklaven zu machen, und ihr Antlitz war wie die Sonne, die das Land mit ihren warmen Strahlen übergießt.«
    Für Mythors Begriffe kam Gesed etwas zu sehr ins Schwärmen. Hatte am Ende auch er zu Eroices Bewunderern gehört? War er ihr verfallen gewesen – und das auch jetzt noch?
    Mythor nahm sich vor, noch wachsamer zu sein. Stück für Stück, schob er

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