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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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sich weiter in den Graben hinein. Dann wand er sich wie eine Eidechse zwischen den Steinen des Felsbuckels auf die Ringmauer zu. Er erstarrte, als er wieder das Rufen und die Antwort vernahm. Die Mangokrieger im Türmchen erhielten sie von der gleichen Stelle wie vorhin. Jetzt vermochte Mythor ein gutes Dutzend dunkler Gestalten hoch über dem Rand des Grabens zu erkennen. Sahen sie ihn, so genügten zwei, drei Pfeile, um ihm den Garaus zu machen. Er preßte sich in die Schatten, wo die Finsternis noch finsterer war, und achtete darauf, daß kein Steinchen sich löste und ihn verriet.
    Noch ein kurzes Stück bis zur Mauer. Sie bestand aus Buckelquadern, die roh aneinandergesetzt waren. Die Fugen boten den Fingern und Füßen eines Kletterers guten Halt.
    »Als Liebesdienerin konnte sich Eroice die Gunst vieler Ritter und Fürsten sichern, Mythor«, flüsterte die Totenmaske. »Sie ließ sich Geschenke machen und kam zu Reichtum und Macht. Einer, der ihr mit Haut und Haaren verfallen war, ließ ihr diese Burg bauen. Fürwahr eine Liebesgöttin, konnte Eroice jedoch niemals vergessen, daß die Aegyr zwar ihren Körper heiß begehrten, aber sie nicht in ihren Stand erheben wollten. Ceroc, ihr Bruder, erwies sich als Heranwachsender als Meister der Magie, aber die Aegyr gestatteten ihm nur die Anhäufung von Wissen darum. Sie verhinderten, daß er es in Taten umsetzen konnte. Er wurde zum Lehrmeister der Aegyr-Sprosse, doch auch in ihm keimten der Neid und der Haß. So kam es, daß alle drei Geschwister sich in eine Intrige verstricken ließen, die Kalaun selbst angezettelt hatte. Er versprach ihnen für ihre Hilfe Macht über alle Aegyr, die sie benutzten, aber nicht als Gleiche ansahen. Sie paktierten bereitwillig mit dem Bösen, doch der Verrat wurde rechtzeitig aufgedeckt. Eroice wurde daraufhin mit abstoßender Häßlichkeit geschlagen, auf daß sich jeder Mann, den sie begehrte, mit Grausen abwende. Yorne hatte zur Strafe ein Spinnenhaupt zu tragen, und Ceroc bestrafte sich selbst, denn als er sich durch Schwarze Magie vor dem Zorn der Aegyr zu retten versuchte, wurde er zu einem Xandor. Sein Körper verwandelte sich in ein schleimiges Etwas, der ihm zur grausamsten Folterkammer wurde, aus der es kein Entfliehen mehr gab.«
    Bist du endlich fertig! dachte Mythor. Sein Geist war angespannt. Jede Bewegung konnte das Ende bedeuten. Er war an der Mauer und sah sich ein letztes Mal um. Die Schatten am Grabenrand hatten sich nicht verändert. Sie standen noch an der gleichen Stelle, doch wandten sie ihre Häupter ihm zu oder dem Wald?
    Wenigstens vom Turm aus war er nicht zu sehen, als er seine Finger in die Fugen krallte und sein Schicksal in die Hände jener Mächte legte, die ihn bis hierher beschützt hatten. Einen Fußbreit nach dem anderen arbeitete er sich in die Höhe. Er erstarrte, als das klagende Stöhnen, das die Nebel erfüllte, geradewegs aus den Steinen zu kommen schien – so als ob die gepeinigten Geister von Untoten in die Burgmauer geschlagen worden seien!
    Wer sind sie, Ceroc? dachte Mythor. Wer geistert hier umher?
    »Opfer«, antwortete die Maske. »Opfer der Hexe. Darum ist es so wichtig für dich, sie und ihre Vergangenheit zu kennen. Was sie nicht freiwillig bekommt, das nimmt sie sich. Ich kann dir nicht sagen, auf welche Weise, aber es muß unvorstellbar grausam sein. Eroice und Ceroc haben einen Pakt mit dem Bösen geschlossen, mit Kalaun. Hüte dich vor ihrem Trug!«
    Und warum hilfst du mir wirklich? Mythor mußte alle Sinne auf seine Umgebung richten. Er wollte nichts« mehr hören, das ihn nur ablenkte, aber eines konnte von einer Wichtigkeit sein, die über sein Leben und seinen Tod entschied: Du warst Eroice ebenfalls verfallen, Gesed te Ruuta!
    »Nein!«
    Die Hälfte des Aufstiegs war geschafft. Die Mangokrieger wechselten Rufe, die Mythor nicht verstand.
    Doch! Und wer sagt mir, daß du mich nicht nur benutzt, um zu ihr zu gelangen? Daß du mich ihr nicht auslieferst, nur um ihre Gunst zu gewinnen?
    »Sie ist mit Häßlichkeit geschlagen, Mythor! Nicht einmal ihr Bruder, der Xandor, würde sie mehr begehren! Und welche Fleischeslust sollte ich denn noch verspüren – als ein Geist ohne Körper?«
    Und ein solcher würde er bleiben, solange Mythor seine Maske nicht wieder aufsetzte. Gesed hatte ihm gerade den besten Grund dafür genannt, es nie wieder zu tun.
*
    Mythors Hände waren zerschunden, als er sich eng an die Steine gedrückt zwischen zwei mächtigen Zinnen über die Mauer

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