Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
ungläubig. „Er ist genauso stolz wie Caspar. Er würde mit Ihnen nicht verheiratet sein wollen, wenn er wüsste, dass Sie jede Sekunde an Caspar denken.“
„Aber ein Duell! Oh Gott! Sie sind doch Brüder, Zwillingsbrüder, zwei Hälften einer Seele. Und Clemens ist Soldat!“
Wieder entstand eine Pause. Wieder ließen sie die Vögel zu Worte kommen, Bienen surrten um die prallen Köpfe der Sonnenblumen. Luisa musste ihre Gedanken ordnen. Sie half niemandem, wenn sie panisch wurde oder den Verstand verlor. „Ich habe mehrere neue Aufträge ...“
Zu ihrer Überraschung hellte sich Friedrich Webers Miene auf und noch mehr verwunderte es sie, dass er sogleich bereit war, sich die verschiedenen Sachen anschauen zu wollen.
Mütter der höheren Gesellschaft waren erpicht darauf, ihre Sprösslinge in Damast binden zu lassen. Es gab viel zu tun.
Sein Lächeln war ansteckend. Es pflanzte so etwas wie Zuversicht in ihr Gemüt. „Ich bin froh, dass Sie wieder arbeiten dürfen, Meister Weber, jetzt, wo Caspar den Meisterbrief erhalten hat.“
Sie machte zum ersten Mal die Auflage ohne Caspar. Es war nicht so schwer, wie sie es befürchtet hatte. Aber ein bisschen lenkte sie das Geschäftliche von den Widrigkeiten ab.
Am Abend, als sie bei ihren Großeltern in der Nachbargemeinde eintraf, wurde ihr klar, dass sie die Geschäfte mit der Leipziger Kundschaft auch ohne Caspar würde fortführen müssen. Sie stand unter Vertrag. Wenn Caspar nur wüsste, wie viele neue Kundinnen sie mit dem Geschwistertuch gewonnen hatte. Er würde glatt aus der Mandaukaserne ausbrechen.
Pastor Markant, ihr Großvater, missbilligte zwar den Zwist mit ihrem Vater, fasste Luisas Entschluss, das Elternhaus zu verlassen, jedoch verständnisvoll auf.
Von ihrem Vater erfuhr sie – nicht persönlich, sondern über den Großvater –, er habe sie enterbt. Weder verwunderte sie das noch verschreckte es sie. Von ihrer Mutter sagte man, sie sei ein Schatten ihrer selbst geworden. Das tat Luisa leid, aber was sollte sie gegen die kleinbürgerliche Manier ihrer konventionellen Mutter ausrichten? Sie erfuhr ferner, dass Ludovike sich mit dem jungen Doktor Bender verlobt habe, auch das überraschte sie nicht.
Luisa machte sich nützlich, wo sie nur konnte. Sie half sogar, die Kirche und die Requisiten sauber zu halten und packte bei ihrer Großmutter im Garten an, wo gerade die Kirschenernte im Gange war. Selbst für Bettine fand sich ein Plätzchen und sehr viel zu tun.
Die meiste Zeit aber verbrachte Luisa mit dem Schreiben von Briefen. Sie erwirkte vor dem Zittauer Rat – welcher wohl einerseits Erbarmen mit einem zum Tode Verurteilten zeigen, andererseits den Ruf der Oberlausitzer Damaste wahren wollte – die Erlaubnis, Meister Weber mit den Leipziger Aufträgen nach Zittau reisen und von Caspar die Musterzeichnungen anfertigen zu lassen, denn Luisa wusste, dass die Damaste ohne Caspars Zeichnungen ihrer zauberhaften Wirkung beraubt würden.
Mit Elsbeth Tkadlec tauschte sie Neuigkeiten über die Familie Weber aus und sie nahm Anteil an Elsbeths Familienglück. Sie freute sich, dass Herrmann Tkadlec und Meister Weber die Zampelstühle für die Leipziger Schmucktücher vorbereiteten. Sie ließ sich über Sophies Fortschritte in der Schule und in der Erziehung von Fleck unterrichten, was sie ein wenig aufheiterte.
Luisa tauschte regelmäßige Nachrichten mit Christiana Haller aus, die sie aufrichtig vermisste. Sie erfuhr, dass sie die Damastfabrikation doch mehr aus den Fugen gerissen hatte, als sie vermutet hatte, denn Caspars Verhaftung und die Tatsache, dass man die Familie Weber aus dem Damastgewerbe hatte verdrängen wollen, waren nach wie vor erstes Gesprächsthema. Der Zunftvorsitzende Heinz Türpe wurde wegen fahrlässiger Tötung seiner Tochter seines Amtes verwiesen und machte daraufhin Leinwand. Ein neuer Obermeister war noch nicht gewählt worden.
Die wichtigsten Briefe kamen von Caspar.
Luisa schrieb ihm täglich und bezahlte jeden Tag einen Eilkurier nach Zittau, der nicht ohne Antwort von Caspar zurückreiten durfte. Sie hatte Geld geschickt, damit er in eine angemessene Unterkunft verlegt wurde, und ließ sich von Meister Weber versichern, dass es Caspar in der Mandaukaserne leidlich bequem hatte.
Zunächst einmal beantwortete sie geduldig und ausführlich seine Fragen bezüglich ihrer Machenschaften mit Mätzig. Wie gern hätte sie Caspar von Angesicht zu Angesicht über die Notwendigkeit ihrer Schritte aufgeklärt.
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