Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
Vom Netzwerk:
diejenige, die schlecht erzogen war, und nicht Sophie. Sie ging in die Hocke und zerzauste dem Hund das Fell, als er bei ihnen angelangt war.
    „Wieso loben Sie ihn? Er ist davongelaufen!“
    „Ich freue mich, dass er wieder da ist, ich hab ihn vermisst.“
    War das die Möglichkeit? Caspar Weber schaute sie zwar nicht an, sondern ließ seinen Blick zurück zum Hutberg schweifen, doch immerhin lächelte er kurz, aber eindeutig aus den Mundwinkeln. Dieses kleine Aufhellen seiner Züge, seiner hübschen Züge, erwärmte sie. Sie wollte von ihm nicht für eine Halsabschneiderin, wie Liebig und Haller es waren, gehalten werden. Warum ihr das so wichtig war, wusste sie nicht. Aber sein Lächeln trug sie den gesamten Heimweg lang in ihrer Seele.
     

     
    Nur wenige Tage nach dem merkwürdigen Gespräch mit Luisa Treuentzien geschah etwas noch Merkwürdigeres und Caspars Meinung von den feinen Leuten musste sich ein wenig ändern, ob er nun wollte oder nicht.
    Es war kaum sechs Uhr am Morgen, draußen dämmerte es noch nicht, Caspars Mutter trug acht Teller mit Brotmehlsuppe und acht Becher mit Buttermilch auf. Es war Dienstag, da würde es später eine dünne Kartoffelsuppe geben, auf die sich alle freuten und wegen der am Dienstag immer eine bessere Stimmung war als an den anderen Wochentagen. Und das, obwohl sie keinen Grund hatten zu schlemmen, weil sie ja nur von Leinwand lebten, und nicht gewiss war, wann sie einen Damastauftrag bekamen. Caspar sah, wie sich seine Mutter nur ganz dünne Brotscheiben abschnitt und dass sie sich sehr wenig Buttermilch eingeschenkt hatte. Auch sein Vater bemerkte das.
    „Wir sind eine Familie. Das kriegen wir schon hin“, seufzte der Vater. „Es kommen wieder andere Zeiten.“
    In Caspars Ohr klangen diese Worte wie aus Luisas Mund. Immerhin hatte sie recht behalten. Es waren andere Zeiten gekommen: noch schlechtere.
    An diesem Morgen aber nötigte die deprimierte Verfassung seiner Mutter seinem Vater ein Zugeständnis ab, das ihn den Ernst der Lage erst richtig begreifen ließ: „Wenn wir bis Ende des Monats keinen neuen Auftrag haben, dann schick ich die Jungs in die Fabrik.“
    Damit meinte er ihn und Balthasar! Wie konnte Vater so etwas entscheiden, ohne zumindest mit Caspar darüber gesprochen zu haben? Caspar würde nie und nimmer in eine Fabrik gehen, aber der gestrenge Augenaufschlag seines Vaters verbot ihm zu revoltieren. Später würde er Vater beiseite nehmen!
    „Und was, wenn wir einen kriegen? Einen neuen Auftrag, meine ich.“
    Seines Vaters Miene hellte sich auf: „Dann gehen wir zur Winteraustreibung aufs Schloss – wie die Fabrikanten, Mariechen, ganz fein. Es müssen auch mal wieder gute Zeiten kommen.“
    Das Gesagte fand noch eine Weile seinen Nachhall.
    Caspars Herz schmerzte entsetzlich beim Anblick seiner Mutter, deren Augen für einen kurzen Moment aufleuchteten. Er wünschte sich so sehr, dass seine Eltern zum Tanz gingen. Und er hatte das Bedürfnis, das Aufflackern ihrer Augen festhalten zu können. Deshalb schürte er unnötige Hoffnungen: „Die Treuentzien hat gesagt, dass ihr Vater vielleicht was aus Prag mitbringt.“ Mit einem Male waren aller Augen auf ihn gerichtet. Man konnte die Hirne seiner vier neugierigen Schwestern förmlich knistern hören beim Versuch, das Geheimnis zu lüften. „Wann redest du mit der Treuentzien?“
    Sophie rettete ihn: „Ihr Hund war abgehauen, da haben wir sie getroffen.“ Sie nahm einen beherzten Schluck Buttermilch und verzog das Gesicht.
    Dann ging ihnen das Geld aus. Kurz vor Ostern, aber ohne neuen Auftrag.
    Und Caspars Mutter musste seinen Bruder Clemens wegen etwas Geld anschreiben, und das zu Ostern! Aber während es Caspar als selbstverständlich, wenn auch lästig ansah, dass sein Bruder ihnen aus der Patsche half, starb seine Mutter beinahe vor Scham.
    „Ja, der von Reichtum angepisste Erstgeborene wird’s schon richten“, spöttelte Caspar und bekam dafür von seiner Mutter, die die Tinte des Briefes gerade trocken pustete, einen Klaps auf den Hinterkopf.
    „Wie könnt ihr nur so verschieden sein! Ihr seid vom selben Kuchen!“, schimpfte sie. „Ich muss das nicht haben.“ Sie deutete auf den Brief. „Und ich schwöre, wenn du eine einigermaßen leserliche Schrift hättest, würde ich dich das schreiben lassen. Aber deine Klaue kann ja keiner lesen!“
    Caspar rieb seinen Hinterkopf. Er war die Attacken seiner Mutter gewohnt und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Er wusste ja, wie

Weitere Kostenlose Bücher