Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
dass man Ihren Vater beurlaubt hat.“
Keine Regung.
Luisa blätterte in Gedanken ihre Auftragsbücher durch, überschlug die Konzessionen, die der Zittauer Rat den Webern auferlegte, kalkulierte die Spesen pro Angebotsrechnung, Lohnkosten der Fabrikanten, Lieferzinsen, Webstuhlsteuern, Meistergroschen, Innungspfennige und den Zechgroschen, den die Weber alle drei Monate in die Zunftlade gaben. „Es kostet Sie und Ihre Familie ’ne Menge Geld. Ich meine, wenn Sie noch einen Webstuhl aufstellen würden. Deshalb können Sie und Ihr Vater nicht zugleich arbeiten. Einer muss weg. Dazu drängt Sie die Zunft.“
Der Mann sog die Luft scharf ein, sein Tonfall war aber gefasst. „Das liegt beim Zittauer Rat, dem wir zehn Taler für die Aufstellung eines neuen Webstuhles und einen Taler jährlichen Stuhlzins pro gangbarem Stuhl in den Rachen schmeißen.“
Luisa nickte, was der Mann wohl nicht sah, denn er blickte hinüber zum Hutberg. „Vielleicht werden wir früher oder später den Streit zwischen dem Zittauer Rat und unseren Damastwebern beilegen.“ Irgendwie hörte sie sich einfältig an. Und von Caspar Weber wurde sie jetzt angeschaut, als sei sie es tatsächlich: einfältig und dumm. „Unsere Verleger fordern jedenfalls ständig eine Haushaltssteuer.“
„Pff!“ Er zog seine Kapuze tiefer in die Stirn. „Haushaltssteuer. So ein Schwachsinn.“
„Na ja, besser, den Weberhaushalt insgesamt zu besteuern als die Webstühle einzeln, oder?“
„Besser gar keine Steuern.“ Seine Augenbrauen zuckten.
„Sie haben einen Damastwebstuhl und einen Leinwandwebstuhl. Das macht zwei Taler pro Jahr. Mit der Haushaltsteuer wäre es nur ein Taler pro Jahr und Sie könnten einen weiteren Damastwebstuhl aufstellen und mit Ihrem Vater zugleich arbeiten.“
„Nur wenn ich Meister wäre.“
„Ja, richtig.“ Das hatte sie vergessen.
„Der Zittauer Rat bleibt in dieser Frage unnachgiebig und sperrt diejenigen ein, die ihre Forderungen allzu energisch vortragen.“ Er unterbrach sich und Luisa merkte, wie eindringlich er sie musterte. „Sie begehen Verrat, Fräulein Treuentzien, ist Ihnen das klar?“
Luisa schwieg zunächst, knirschte mit den Zähnen und fixierte zwei Gebäude, die einen Hof im rechten Winkel einschlossen und wo sich zwischen dunkelblau gefärbten, zum Trocknen aufgehängten Tuchen ein paar Greisinnen tummelten. „Ich nicht, aber Sie, wenn Sie dem Türpe und der ganzen Zunft nicht klarmachen, dass das Ansinnen nach einem pauschalen Stuhlgeld von dreihundertfünfzig Talern im Jahr für die gesamte Gemeinde als Stuhlzinsaversionalquantum betrachtet werden könnte.“
„Mit diesem Ungetüm von einem Wort fordern Sie mich hier zur Revolte auf, Fräulein Treuentzien, dafür müsste ich Sie der Weberinnung melden.“
„Machen Sie das, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben, Herr Weber. Sie vergessen jedoch die schlechte Konjunktur. Die Fabriken, Joseph Marie Jacquard!“ Damit schritt Luisa aus und überquerte den Fluss dort, wo die Lausur in die Mandau mündete. Ihr Innerstes brodelte und schäumte wie die eisigen Fluten des Gebirgswassers. „Obermeister Türpe setzt alles daran, so viele gute Meister vorzuweisen wie irgend möglich. Schwächelnde Webermeister und sich verweigernde Gesellen sind dem Türpe nur hinderlich!“
Caspar Weber neben ihr schnalzte mit der Zunge, sagte aber nichts, sondern ging folgsam mit. Das würde er tun, bis sie ihn entließ. Danach würde er sich zu Tkadlec, Schiffner oder irgendeinem seiner Freunde in die Stube setzen, ein Bier trinken und über Luisa und ihre Familie lästern – so weit ihre Vermutung. „Ich weiß ja, dass Sie und Ihr Vater nicht tauschen wollen.“
„Tauschen!“ Er stieß das Wort beinahe verächtlich hervor. „Mein Vater ist noch nicht so alt, dass er mit mir tauschen muss. Es war der Winter. Aber jetzt wird es wieder warm und Vater geht es besser. Er wird wieder richtig arbeiten können, wenn wir Aufträge haben. Solange wir keinen Auftrag haben, kann es Ihnen doch egal sein, ob er gesund ist oder nicht.“
Lange sagte keiner von beiden etwas.
„Dort kommt er.“
Luisa folgte Caspars Fingerzeig, schärfte ihre Augen und erspähte den schwarzen Fleck, der auf seinen Hammelbeinchen wie ein gehetztes Schaf auf sie zugestürmt kam.
„Sind Sie immer so neugierig?“
„Wie bitte?“
„Wieso haben Sie Sophie über die Schule ausgefragt?“
Luisa zuckte mit den Achseln. Ja, das war unhöflich und neugierig gewesen. Vielleicht war sie
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