Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
unangenehm es ihr war, Clemens anzubetteln, und sie war ihm dankbar, dass er die Sache mit Humor nahm. „Er schickt sowieso wieder mehr, als du brauchst, Mama.“
„Für dein vorlautes Mundwerk bist du an der Reihe!“ Sie drückte ihm den Brief in die Hand, der zur Kaiserlichen Post gebracht werden sollte.
„Oh nein, liebe Mama, Sophie ist dran.“ Caspar schob den Brief vor Sophie, die aus Gertrudes Federn einen neuen Garden knüpfte.
„Nö! Ich hab den Brief vor Weihnachten weggeschafft, weißt du nicht mehr?“ Sie schob den Brief zurück, bis er vor ihrem Bruder lag.
Caspar seufzte, rieb sich Augen und Nasenwurzel. Er konnte auf den mitleidigen Blick des klapperdürren Krämers Jacobi verzichten. Der wusste, welcher Art die Briefe nach Dresden waren, auf die dann stets eine Geldanweisung folgte. Nein, darauf hatte Caspar wirklich keine Lust.
Für Clemens’ Mildtätigkeit hatte der sich einen Heiligenschein verdient und Caspar begrüßte den Umstand, dass sein Bruder dieses Jahr nicht zu Ostern heimkommen würde. Vielleicht sah er ihn erst zu Weihnachten wieder, dagegen hätte er nichts einzuwenden, weil Weihnachten herrlich weit weg war. Er liebte seinen Bruder, aber er hasste es, dass er der Familie den Rücken gekehrt hatte und zur Armee nach Sachsen gegangen war.
Es war warm, als er hinaustrat, um das unsägliche Stück Papier ins Mitteldorf zum Jacobi zu schaffen. „Verdammt, nicht schon wieder.“ Er fluchte mit sich selbst wie ein alter Mann, als er die Türe zum Jacobi öffnete und sich auf das Gebimmel der Ladenglocke nicht nur der Krämer, sondern obendrein die Weiber Treuentzien umdrehten. Alle sechs!
„Guten Tag, Herr Weber, wieder Post nach Dresden?“ Jacobi rückte mit seinen Spinnenfingern den Zwicker auf der Nase zurecht.
Die alte Vettel Treuentzien bekam ein ganz fleckiges Gesicht, wahrscheinlich, weil Jacobi sich herabließ, selbst den Brief entgegenzunehmen, anstatt irgendeinen Lakaien aus dem Lager kommen zu lassen.
„Natürlich, Herr Jacobi. Sie wissen doch bestimmt, dass wir am Arsch sind, weil wir keinen Damast mehr machen dürfen?“
„Also, unerhört!“, murmelte die dicke Treuentzien und hielt der jüngsten ihrer blassen Töchter die Ohren zu. „Stefanie, Auguste, Josephine, Ludovike, Luisa! Mädchen, kommt, wir gehen.“ Wie eine Glucke knuffte sie mit ihren Wurstfingern jedes der Mädchen in die Oberarme.
„Geht schon vor, ich bin noch nicht fertig.“ Luisa Treuentzien, natürlich. Sie ließ keine Gelegenheit aus, sich mit Caspar anzulegen. Er atmete gedehnt aus und ein. Nur die Ruhe!
Der dünne Jacobi blickte jetzt ganz verschämt zwischen dem Brief in seiner Hand und dem Fräulein hin und her. „Oh Verzeihung, gnäd’ges Fräulein. Ich wollte nicht, ich dachte ...“
„Das ist nicht schlimm, Herr Jacobi, bedienen Sie bitte den jungen Mann, ich sehe mich um.“
Junger Mann, Caspar konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er war garantiert älter als sie. Junger Mann!
„Zwei Kreuzer.“
„Sehr gern, Herr Jacobi.“ Caspar schlug einen ebenso blasierten Ton an wie der dürre Jacobi und Luisa Treuentzien und kramte in seiner Hosentasche. „Die hab ich glatt noch.“ Sein Grinsen wollte nicht weichen. Das Kleingeld klimperte auf dem Ladentisch und Caspars Hände verschwanden wieder in den Hosentaschen, während er auf den Stempel und die Quittung wartete.
Von Luisa Treuentzien wurde er indes hinter den Regalen hervor beobachtet, das merkte er, dafür hatte er ein Gespür.
„Wird Ihr Bruder über Ostern heimkehren?“
„Na, das wollen wir mal nicht hoffen, Herr Jacobi. Das da ist eine ausdrückliche Ausladung.“
Der Mann schaute ganz pikiert. „Also, äh ... Verzeihung, wenn ich ...“
„Herr Jacobi“, Luisa Treuentzien schlenderte hinter einem der Regale hervor. Sie bemühte sich jetzt, Caspar zu ignorieren.
Mach deinen Stempel, Mann, dachte er, damit ich hier rauskomme.
Aber der Jacobi war wie geblendet von ihrem hellen Taft.
„Sagen Sie, haben Sie nicht Verwendung für ein paar wunderbare Pantoffeln, die ich nicht trage, weil ich mehrere Paare habe.“ Sie blickte jetzt Caspar offen heraus an. „Meinen Sie nicht auch, dass man nur Verwendung für ein Paar hat?“
Caspar überlegte. Spielchen. Ja, Spielchen mochte er. „Aber Fräulein Treuentzien, man kann nie genug Pantoffeln besitzen.“
„Finden Sie, Herr Weber?“
Der Krämer war völlig überfordert.
„Nein, wirklich, ich denke, ich werde Sie Ihnen einmal zeigen, Herr
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