Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Jacobi. Sie sind nagelneu und mit Goldfaden durchzogen.“
„Gold kratzt sowieso. Ich bin nicht so für Gold.“ Caspar machte eine übertrieben abwägende Miene und der dürre Jacobi drückte endlich seinen Stempel auf die Quittung.
„Blöde Gans“, murmelte Caspar, als er die Ladentür hinter sich zuknallte.
„Idiot!“ Luisa grollte den halben Heimweg, weil sie Caspar Webers Benehmen für unmöglich hielt. Aber ihre Stimmung hellte sich augenblicklich auf, als sie die Postkutsche vor ihrem Haus stehen sah, die sie erst am Nachmittag erwartet hatten. Sie jauchzte innerlich. Endlich, endlich war sie nicht mehr allein mit der ganzen Arbeit. Es gehörte sich nicht, aber sie rannte los und ließ die Haustür offen stehen, um sich schnell davon zu überzeugen, dass ihr Vater wirklich daheim war. Alles redete durcheinander und Mutter war durch die offene Küchentür zu hören, wie sie mit der Magd Bettine die Delikatessen, die eben beim Jacobi geholt worden waren, zu einem Festmenü verplante.
Man hatte zur Feier des Tages Familie Kollmar eingeladen. Matthias Kollmar. Luisa seufzte und wartete geduldig, beobachtete ihre Schwestern, die alles von Vaters Reise hören wollten. Sie wusste, dass Vater mit dem Geschäftlichen nicht lange warten würde.
Ihre Mutter gab eine formvollendete Gastgeberin, Banalitäten wurden ausgetauscht. Die Kollmars höflich, Matthias diskret wie immer. Belanglos wie immer. Vater hörte sich geduldig die Nichtigkeiten an, mit denen ihre vier Schwestern die Wochen zugebracht hatten, und doch wusste Luisa, dass sein stämmiger Körper zwar zu Hause angekommen war, nicht aber seine Gedanken. Die waren noch in Prag.
Vielleicht ihre Mutter, nicht aber die übrigen mochten ihm ansehen, dass er sehr in Sorge war. Der Berg an Geschenken, die er mitgebracht hatte, sollte wohl über die missliche Lage der Textilbranche hinwegtäuschen. Ludovike, Josephine und Auguste hatten sich über die Geschenke aus Prag wie Aasgeier hergemacht. Luisa hatte nicht ein Wort des Dankes von ihnen gehört. Einzig Stephanie, die Jüngste, war ihrem Papa um den Hals gefallen für die Porzellanpuppe, die er ihr geschenkt hatte. Manchmal kam es ihr so vor, dass ihr Vater nur seine älteste und seine jüngste Tochter wahrnahm. Die erste und die letzte Hoffnung auf einen Stammhalter. Die fünf Mädchen waren wie nach Plan aus einem seiner Kontorsbücher im Zweijahresabstand geboren und allesamt Jungfrauen – in jeder Hinsicht. Eigenwillig, verzagt und unnahbar.
Später am Abend, als alles vorbei war, alle Delikatessen aufgegessen, der Besuch entlassen, gesellte sich Luisa zu ihrem Vater ins Kontor. Wie sie es erwartet hatte, steckte seine Nase längst in den Büchern.
„Hast alles sehr gut erledigt, mein Kind.“ Er nickte und zeigte seine Lachfältchen. „Irgendwelche Probleme mit ihnen?“ Er wies auf das Auflagenbuch und die vielen Namen der Häusler. Luisa schüttelte den Kopf. Sie hatte nicht vor, ihm von dem Vorfall im Zunfthaus zu erzählen. Christiana hatte sie nicht zu überreden brauchen, den Tumult des Alfons Kerner unerwähnt zu lassen. Sie wollte keinen ihrer Arbeiter anschwärzen, außerdem wollte sie gern, dass Caspar Weber gut von ihr dachte. Wieso eigentlich? Es war vielleicht nicht allein das Bedürfnis einer Arbeitgeberin, von ihren Arbeitern gemocht zu werden, vielleicht war es das Bedürfnis, von ihm gemocht zu werden.
„Matthias war sehr kurz angebunden, nicht wahr?“ Vater schaute nur kurz über den Rand seiner Brille. Sie antworte nicht, auch dies ein Thema, das sie nicht mit ihm zu besprechen beabsichtigte. „Ihr habt doch nicht gestritten?“
Keine Regung zeigte sie, und ganz nüchtern begann sie von ihren Abnahmen jeden Montag zu erzählen, keine nennenswerten Vorkommnisse. Ihr Vater fragte bei dem einen oder anderen Damastwebergespann nach, ließ sie erzählen.
Sie fror, weil das Fenster sperrangelweit offen stand. Es war frisch geworden und es hatte zu regnen begonnen. Luisa fiel auf, dass es jetzt wieder nach ihm roch: Nach würzigem Pfeifenkraut und Rasierwasser. Wochenlang hatte nur ein Hauch seines Duftes in der Luft gehangen. Jetzt roch es wieder nach ihm, dem Heimkehrer aus Prag mit mäßigem Optimismus. Sie trat zu ihm. Das Haus war still. Ihre Schritte auf den Dielen und das Zischen seiner Pfeife wurden vom Klopfen des Regens verschluckt.
„Interessant, was Matthias über Herrn Fernheim aus Leipzig bemerkt hat, nicht wahr?“
„Mmh.“ Das war beim Mittagstisch
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