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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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herausfinden, von wem wir Aufträge annehmen.“ Sein Vater log, ohne rot zu werden. „Wir dürfen aber weder dir noch der Treuentzien etwas über den Auftrag verraten. Da gibt es diese Vertragsklausel, Heinz, du verstehst? Der Auftraggeber möchte unerkannt bleiben.“
    „Welcher Auftraggeber?“, versuchte es Heinz Türpe auf die dämliche Tour.
    Friedrich Weber schnalzte mit der Zunge.
    Caspar hörte Heinz Türpe leise seufzen und für einen Sekundenbruchteil war es ihm, als säße Hermine neben ihrem Vater und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. Caspar rieb sich die Augen. Er sah noch einmal hin – Hermines Trugbild war nicht mehr da. Caspar konnte hier nicht bleiben. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
    „Was hat die Treuentzien mit dem Tuch zu tun?“
    Sein Vater antwortete seelenruhig: „Das Fräulein Treuentzien, Heinz, hat insofern etwas mit dem Tuch zu tun, dass sie es ist, die auf dem Tuch abgebildet ist.“ Sein Vater entließ schließlich Heinz Türpe aus dem Oberlehrerblick, woraufhin der andere mit dem Kopf nickte – nicht aus Einsicht, nicht aus Verständnis, sondern weil er über den Einwand gnädig hinwegsehen wollte.
    Dann geschah zwischen seinem Vater und dem Obermeister das, was zuvor zwischen ihm und Herrmann Tkadlec geschehen war: Sie redeten sich in Rage. Sie kamen auf Sophie, den Hund und das Schulgeld zu sprechen. Nur mit dem Unterschied, dass Heinz Türpe nicht von jener Sorge beseelt war wie Herrmann Tkadlec. Irgendwann kamen sie wieder dort an, wo sie angefangen hatten: „Und das Tuch, Friedrich. Das hat nicht zufällig Luisa Treuentzien bei dir in Auftrag gegeben?“
    „Sehe ich so aus, als würde ich von einem Weibsbild einen Auftrag annehmen? Das ist verboten!“
    Alles schwieg.
    Dann schüttelte Heinz Türpe den Kopf und sagte mit schleimiger Milde in der Stimme: „Friedrich, ich bin nicht befugt, Recht zu sprechen. Aber wenn die Mehrheit unserer Meister und Altgesellen eben für oder gegen eine gewisse Sache stimmt, dann hab ich mich zu fügen. Mein Amt dient lediglich dazu, für Ordnung unter den Webern zu sorgen.“
    „Es ist aber nichts in Ordnung, Heinz! Hast du schon mal achtzig Ellen pro Woche und ein Schmucktuch zugleich gemacht?“ Caspar biss sich auf die Unterlippe. Er wollte gar nicht mit Türpe reden. Wollte er nicht.
    Türpe überging ihn und wandte sich an Caspars Vater: „Die achtzig Ellen sind der Anfang, Friedrich. Liebig wird ganz andere Maßnahmen ergreifen, wenn du ihn weiterhin übergehst.“
    „Was denn noch? Was soll dem Liebig noch einfallen? Er hat mich aus den Auftragsbüchern gestrichen!“
    „Beurlaubt hat er dich, Friedrich!“
    „Beurlaubt kommt Gestrichen gleich. Der Liebig will meine Damaste nicht mehr, aber ein anderer will sie!“
    „Die Preußen.“
    „Quatsch!“
    „Wer dann?“
    „Irgendwer, Heinz. Ist doch egal. Wir haben einen neuen Auftraggeber und das bekommt dir und den anderen und dem Liebig nicht und wahrscheinlich dem alten Treuentzien auch nicht!“
    Wieder entstand eine Pause.
    „Und die Stuhlsteuer?“
    „Aufgrund des Stuhlzinsaversionalquantums sind wir von der Steuer für den zweiten gangbaren Webstuhl befreit.“ Mit dem Ungetüm von einem Wort, das Caspar sich von Luisa Treuentzien borgte, beeindruckte er den Türpe nicht schlecht. Der kaute auf seiner fleischigen Lippe herum und dachte nach, nickte dann.
    Wieder sagte eine kleine Weile niemand etwas und Caspar kam es so vor, als könne er den Schaum auf dem Bier in den Krügen knistern hören. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass er vom Obermeister unverwandt angestarrt wurde. Eine Ewigkeit lang wurde er angestarrt! Der starrte Löcher durch ihn hindurch! „Was!“, zischte er. „Was willst du von mir, Heinz!“
    „Ich will, dass du die Wangern heiratest!“
    „Das kannst du vergessen!“
    „Das ist Zunftgesetz! Die nächste Witwe dem ältesten Junggesellen!“
    „Such dir einen anderen aus, Heinz!“
    „Etwa den Herrmann Tkadlec?“
    „Das geht zu weit!“, mischte sich Vater ein. „Lasst Herrmann raus. Nächstes Frühjahr heiraten er und Elsbeth und Schluss!“
    „Das nächste Tuch, das du auf deinen Stuhl spannst, Caspar, wird dein Meistertuch sein. Das kann ich als Obermeister vor dem Zittauer Rat bewirken und damit wirst du den Radisch losschicken wegen des Aufgebots. Zur Wangern oder zu sonst wem! Verstanden?“
    Klare Worte. In Caspar brodelte es. „Das ist Erpressung, Türpe!“
    „Für dich immer noch Obermeister

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