Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
Vom Netzwerk:
Türpe!“
    Sie trugen ihren Zorn aufeinander mit vergifteten Blicken aus.
    „Der Junge hat recht, Heinz. Das ist Erpressung. Das Tuch geht kommende Woche vom Baum. Wie’s weitergeht, weiß keiner.“
    „Kommende Woche?“ Das war eine Neuigkeit, die der Neugierige in sich aufsog wie ein Verdurstender, der am Schwamm lutschte. „Mit dem nächsten Tuch, Friedrich, verlobt er sich und basta!“
    „Aber nicht mit der Wangern.“ Caspar war ganz ruhig und fixierte Türpes böhmisches Mondgesicht. „Nicht die Wangern!“
    „Die oder ’ne andere! Jetzt ist Schluss mit dem Sonderdasein! Hast dir lange genug Zeit gelassen, Caspar. Ständig brätst du dir ’ne Extrawurst. Auf die Extrawurst, die ihr fresst, sind die anderen neidisch und sie wollen sie euch vergiften!“
    „Nur die anderen? Oder auch du?“
    Caspars Vater konnte den Streit zwischen seinem Sohn und seinem Zunftmeister nicht verhindern. Sie brüllten einander an – Heinz mit polternder Stimme: „Die Hand meiner Tochter hast du gewollt und ich hab sie dir gegeben! Du warst tagein, tagaus hier bei uns willkommen und wirfst mir jetzt vor, dass ich euch euer bescheuertes Schmucktuch missgönne!“
    Und Caspar mit einem grollenden Bass, den er selbst noch nicht an sich gekannt hatte: „Du hast mir nicht die Hand deiner Tochter gegeben, Heinz, vergiss das nie! Wie ich es hasse, wenn du dich hinter Hermine versteckst, sobald dir die Argumente ausgehen!“
    „Caspar, was soll das!“
    Caspar zog angewidert den linken Mundwinkel hoch. „Dieses verlogene Schwein, Vater. Ich möchte kotzen!“ Er sprang von seinem Platz hoch und wurde von seines Vaters Faust, die krachend auf dem Tisch landete, zum Schweigen gebracht. Sekundenlang war es ganz still. Sekundenlang maßen sich die wütenden Blicke von Vater und Sohn, während der Gastgeber schnaufend nach Worten rang.
    „Der Junge hat zu wenig Respekt, Friedrich, zu wenig Respekt vor der Zunft, zu wenig Respekt vor seinem Obermeister und zu wenig Respekt vor dem Haus, in dem seine Verlobte gestorben ist. Du, Caspar, wirst dich verantworten müssen!“
    „Es gibt nichts, wofür ich mich verantworten muss, Heinz! Wenn sich einer seiner Verantwortung als Obermeister entzogen hat, dann du, und das nicht erst einmal!“
    „Willst du deine Anschuldigungen von damals gegen mich wiederholen, hä?“ Der Ältere legte die wenigen Schritte zurück, die ihn von Caspar trennten, und baute sich vor ihm auf. So sehr er sich auch reckte, fehlte ihm ein halber Kopf bis zu Caspars Scheitel. „Ein Wort und ich bringe dich in den Knast, mein Freund: wegen Verleumdung!“
    Caspars Blick huschte auf das elende Antlitz seines Vaters, der unmerklich den Kopf schüttelte. Caspar hatte vor drei Jahren gegen Heinz Türpe verloren, er würde auch jetzt nicht gewinnen. Er verkniff sich seinem Vater zuliebe das, was er zu gerne gesagt hätte, und meinte stattdessen: „Du willst, dass ich heirate, damit die Leute aufhören, auf dich als meinen Beinahe-und-am-Ende-doch-nicht-Schwiegervater zu sehen. Du willst, dass die Verbindung, die zwischen dir und mir bestanden hat, endgültig zertrennt wird. Aber weißt du was? Den Gefallen werd ich dir nicht tun! Das Andenken daran, was du mir und deiner Tochter angetan hast, werd ich für den Rest meiner Tage vor mir hertragen und dich damit an deine Verfehlungen erinnern, so oft sich mir die Gelegenheit bietet!“
    „Oh Gott, Junge, was redest du da!“ Nun war es sein Vater, der seine Augen rieb, als könne er so die Worte seines Sohnes unausgesprochen machen.
    „Das habe ich nicht gehört, Caspar“, zischte Türpe. „Und was die Weberei angeht, wirst du das Können deines Vaters der Vergessenheit anheimgeben. Du egoistischer Narr! Mach endlich die Meisterprüfung!“
    „Lieber ein egoistischer Narr als ein Heuchler.“
    Diesmal ging Friedrich zwischen die beiden Streithähne, konnte den einen wie den anderen aber nicht besänftigen.
    „Friedrich, da siehst du, was du aufgezogen hast: einen Rotzlöffel von Schmarotzer, der erst die eine Familie ausblutet, um sich dann an der eigenen gütlich zu tun ... Ein Wolf, der im eigenen Revier wildert, sollte vorsichtig sein! Caspar Weber, ich war nie so glücklich wie jetzt, dass du es nicht in meine Sippe geschafft hast!“
    Caspar rutschte die Hand aus. Er hatte es nicht kommen sehen, es ging so plötzlich. Von einem Atemzug zum anderen hing seine linke Faust nicht mehr kraftlos neben seiner Hosennaht, sondern geballt in Heinz Türpes

Weitere Kostenlose Bücher