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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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Mal nicht nur an dich denken? Du bringst deine Familie um!“
    Caspar packte Herrmann so abrupt am Kragen, dass es ihn selbst erstaunte.
    „Du vergisst dich, Caspar Weber!“
    Caspar ließ den anderen los. Er hielt die scheelen Blicke, das Getuschel, das viele Arbeiten und das wenige Schlafen nicht mehr aus.
    „Sieh dich an, Caspar!“
    Das ging nicht, weil Caspar ja keinen Spiegel dabei hatte.
    „Augenringe bis sonst wohin und kein bisschen Farbe im Gesicht.“ Dann tat Herrmann etwas, was Caspar nicht erwartet hatte und was so guttat. Herrmann nahm dessen Kopf in seine Hände und berührte mit der Stirn die seine: „Caspar, mach mir mein Mädchen nicht kaputt, hörst du? Klär das mit den achtzig Ellen!“
    Caspar nickte und Herrmann machte sich von ihm los. Dann ging er.
     
    Caspar betrat das Haus des Obermeisters Türpe. Ihm schlug jener Duft in die Nase, den er zuletzt vor drei Jahren eingeatmet hatte. Ihr Duft, ihr süßer, lieblicher Duft. Während er im Flur stand, blieb sein Blick auf der Treppe zum Obergeschoss haften. Da war die Kammer. Aus dieser Kammer hörte er noch jetzt nach drei Jahren das Weinen und Klopfen. Er konnte hier nicht bleiben. Niemand durfte ihn zwingen, hier zu bleiben!
    Reiß dich zusammen!
    Caspar betrat die Bohlenstube. Sein Blick fiel sofort auf seinen Vater, der bereits am Stubentisch saß. Neben ihm der Türpe. Bierkrüge vor ihnen. Es war nicht zu erschließen, ob sie schon viel miteinander gesprochen oder schweigend gewartet hatten.
    Alles hier erinnerte ihn an Hermine. Seine Kehle war staubtrocken. Er blieb wie angewurzelt auf der Türschwelle stehen. Er schaffte die wenigen Schritte nicht bis zum Tisch, wo Vater und der Kerl saßen, der mal der engste Freund der Familie gewesen war.
    „Setz dich hin, Caspar!“ Vater wies nickend auf den Stuhl ihnen gegenüber. Türpe schob einen Krug schäumenden Görlitzer Bieres vor Caspar hin. Er verschmähte das Bier eines Heinz Türpe.
    Und dann begann der Türpe zu erzählen. Vater fand schwer ins Gespräch und Caspar schwieg. Heinz Türpe stocherte in allem herum, wiegelte ab, quatschte das Leben schön, die Umstände, ja die Umstände, oh die viele Arbeit, die schlechte Konjunktur. Bla, bla, bla. Caspar schwieg, schaute auf die Maserung des Tisches oder aus dem Fenster. Sein Vater und Heinz sahen aus wie eingerahmt vom Fenster, vor dem sie saßen.
    „Die achtzig Ellen kommen nicht von mir“, traf Heinz Türpe endlich nach einer schieren Ewigkeit den wunden Punkt und Friedrich Weber ging der Sache auf den Grund.
    Caspar hörte kaum zu, worüber die Männer stritten. Er dachte an alles Mögliche, zum Beispiel an die zehn Ellen Leinwand, die sie bis morgen früh noch würden machen müssen. Morgen war Montag. Abgabetag. Er fragte sich, wie die Jahre hatten vergehen können, ohne dass er einmal hier gewesen war. Er fragte sich, wie er seit damals alle Vierteljahre mit Heinz Türpe am Zunfttisch hatte sitzen können, ohne dass es ihm so elend gegangen war wie jetzt.
    Sein Vater schien in ihm zu lesen wie in einem offenen Buch, unterbrach sich beim Reden und stupste ihn am Arm: „Caspar, behalt die Nerven. Es ist so lange her!“
    Heinz Türpe glotzte Caspar an. Jetzt erst schien er sich daran zu erinnern, welchen tränenreichen Streit, welchen Zwist er und Caspar Weber zuletzt in dieser Stube ausgetragen hatten. Er war verlegen, suchte den Faden, den er verloren hatte.
    „Na ja, also, Friedrich. Ich muss jetzt wirklich wissen, von wem ihr Aufträge annehmt. Liebig und Treuentzien wollen das wissen. Es ist meine Aufga...“
    „Es geht dich nichts an.“ Caspar hatte ganz ruhig gesprochen, fixierte Türpe und wurde von ihm böse angefunkelt.
    Sein Vater starrte in den Bierkrug, langte danach, aber anstatt daraus zu trinken, schob er ihn von sich fort. „Hat dir Luisa Treuentzien nicht einen mächtigen Berg Münzen ausgezahlt, dass du eben jene Frage nicht mehr stellst?“
    Was? Caspars Blick huschte ins Gesicht seines Vaters, dann in das des Heinz Türpe, dessen Mundwinkel unter Vaters Frage nervös zuckten. Ertappt, mein Freundchen.
    „Das Geld hab ich ihr zurückgegeben. Ich bin nicht bestechlich“, stammelte Türpe. Bierschaum zitterte auf seiner Oberlippe.
    „Das hat Fräulein Treuentzien uns gegenüber ja gar nicht erwähnt.“ Friedrich Weber blickte so unschuldig drein, dass Heinz Türpe den Augenkontakt mit ihm mied. „Fräulein Treuentzien ist sehr häufig bei uns, wie du weißt. Aus demselben Grunde wie du. Sie will

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