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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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Magengrube, und die Rechte in dessen Gesicht.
    Heinz krümmte sich, hielt sein Auge zu. Die Augenbraue war geplatzt. Er ächzte vor sich hin und formte auf seinen zitternden Lippen die wüstesten Verwünschungen gegen Caspar. Friedrich Weber half dem Obermeister auf einen Stuhl. Caspar knallte mit den Türen, als er das Haus verließ.
    Sie hatten ihr einen sehr schönen Grabstein gemeißelt. Caspar hatte nicht sehr oft den Weg zu ihrem Grab gesucht, aber heute konnte er nicht anders, als sich bei Hermine für sein furchtbares Verhalten zu entschuldigen. Sie fehlte. Noch immer. Und sie würde ihm auch in Zukunft immer fehlen. Es war so lange her, so lange. Er hatte seit Jahren nicht mehr geweint, aber jetzt hockte er an ihrem Grab und vergrub sein Gesicht in den Händen und glaubte, nie mehr von hier aufstehen zu können. Er verstand nicht, was vor sich ging. Er begriff nicht, warum alles so schrecklich kompliziert war. Er gab Heinz Türpe die Schuld an Hermines Tod, aber das war eine Angelegenheit zwischen ihm und dem Obermeister. Doch jetzt hatte er seinen Vater da mit reingezogen und Caspar wusste, dass das die schlimmsten Folgen für seine ganze Familie haben konnte. Das durfte er nicht zulassen. Er würde sich dem Zunftvorstand fügen.
     

     
    Ein Sonntag, der nicht schöner sein konnte. Luisa verabschiedete sich von Matthias Kollmar. Der würde herrlich lange in Skandinavien sein. Und der vierte Dezember, der als Hochzeitstermin vereinbart worden war, war auch herrlich weit weg. Vier herrlich lange Monate des Abschiednehmens von ihrem freien Leben lagen vor ihr.
    Der vierte Dezember also, ein Samstag, sollte der schönste Tag in Luisas Leben werden. Und Matthias Kollmar war kaum eine Woche fort, da verdrückte sich der unaufhaltsam nahende Termin ins nebulöse Vielleicht. Vielleicht würde ihr Vater zur Vernunft kommen. Vielleicht sah er bald ein, dass sie und Matthias nicht zusammenpassten, dass sie und Matthias ... dass das nichts war.
    Aber ihr Vater hatte nur den Landtag im Kopf.
    Was das Textilgeschäft betraf, war der Landtag im Juli ergebnislos geblieben. Vater mochte zu den vielen gezählt haben, die in der Landtagsversammlung die letzte Chance zum friedlichen Ausgleich der kapitalen Bedürfnisse der Textilbranche gesehen hatten. Jetzt las er enttäuscht in den Zeitungen, dass sich die Fronten zwischen Preußen und Sachsen sowie zwischen Österreich und Frankreich nur weiter verhärtet hatten. Religionsunruhen in Leipzig und Dresden waren das Echo auf die Proteste in Frankreich. Die Machthaber aus Dresden und Leipzig benachteiligten ortsansässige Handwerker in der Auftragsvergabe und jetzt fürchteten auch die Kaufmänner und Handwerker im Umland, um ihre Beteiligung an der großen Wirtschaft geprellt zu werden.
    „Wenn die Unruhen von Frankreich über das Deutsche Reich hereinschwappen, wird sich die Konjunktur nicht erholen“, sagte ihr Vater dazu. „Die einfachen Leute sind so schnell zu begeistern.“
    Vielleicht, so überlegte Luisa mit keimender Hoffnung im Herzen, sah ihr Vater jetzt ein, dass er sie im Geschäft brauchte. Vielleicht wollte er sie gar nicht entbehren. Und als sie ihren Vater in diesen Tagen im Kontor über den Zeitungen und in Sitzungen mit Liebig und Haller brüten sah, erschien es ihr so sicher wie das Amen in der Kirche, dass sie mit Matthias Kollmar nicht nach Preußen auswandern würde! Wenn sie ihn schon heiraten musste, wollte sie in Vaters Geschäft bleiben, oder besser noch, wollte sie ihre eigenen Geschäfte vorantreiben.
    Matthias würde das alles nicht verstehen. Kein Mann, dessen Blut nicht mit dem Faserstaub frisch gewebter Tücher vermischt war, würde sie verstehen. Vielleicht würde sie nicht einmal von Meister Weber verstanden werden. Aber ein Matthias Kollmar würde nie begreifen, wie stolz Luisa auf ihren Vater – und sich – war. Matthias würde nicht verstehen können, welche Bemühungen sie und ihr Vater aufwandten, um die Häusler ruhig zu halten.
    Es kam Post von ihm. Schon in der folgenden Woche. Luisa breitete ihr Umschlagtuch auf dem Stück Wiese hinter dem Elternhaus aus und legte sich hin – seinen Brief in der einen, ein paar Butterkekse in der anderen Hand. Einige Federwolken schwebten langsam vorbei.
    „Du holst dir Grasflecken.“ Grasflecken mit drei A. „Und iss nicht so viel, um Gottes willen!“ Ihre Mutter knallte den Fensterladen zu, aber Luisa hörte sie noch immer drinnen meckern. Sie seufzte.
    Matthias’ Brief lag mit seinen

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