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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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hielten, schafften sie es gerade so. Aber müde war er, schrecklich müde. Sechs Stunden Schlaf waren nicht viel. Wenigstens brauchte man sich beim Leinwandweben nicht zu konzentrieren. Manchmal kam es vor, dass Caspar einnickte und trotzdem den Schussschützen von rechts nach links schleuderte. „De-tschicke, de-tschacke.“ Das erledigte sich fast von selbst. Trotzdem war Caspar unsagbar schlapp. Ins Damasttuch hatte er seit einer Woche keinen einzigen Faden mehr eingetragen. Der Damast lag brach. Keine Zeit.
    Sein Vater legte ihm jetzt den Arm um die Schultern. „Wir gehen zum Türpe.“
    „Das lassen wir schön bleiben.“
    Aber Friedrich Weber setzte sich durch. Wie meistens.
    Bevor Caspar um die Ecke bog und noch ehe er den Türknauf bei Obermeister Türpe zu fassen bekam, erspähte er eine Gestalt, die sich ihm strammen Schrittes näherte. Gegen die Mittagssonne war dessen Gesicht nicht zu erkennen, lediglich der Gang verriet Herrmann Tkadlec.
    „Bist du mir gefolgt?“
    „Quatsch.“
    Doch, überlegte Caspar, Herrmann war ihm gefolgt. Er brauchte nicht lange zu warten, da begann Herrmann: „Seltsame Dinge, Caspar.“ Herrmann sah sich um, ob auch niemand sie belauschte, schenkte den Umschrotbohlen des Hauses vom Obermeister Türpe einen skeptischen Blick, als schätzte er ab, ob man sie durch das Holz reden hören konnte.
    „Seltsame Dinge?“
    „Ja, seltsame Dinge berichtet mir Elsbeth.“
    Caspar stöhnte auf. Daher also wehte der Wind. Seine Schwester tratschte.
    Herrmann erriet Caspars Gedanken. „Caspar, du weißt, ich bin der Letzte, der seine Nase in anderer Leute Haushalte steckt, aber das alles ist nicht geheuer. Achtzig Ellen, Mensch.“
    „Deswegen bin ich hier, Herrmann, es ist alles in Ordnung.“
    „Nein!“, unterbrach der andere ihn. „Gar nichts ist in Ordnung! Ihr habt dreimal die Woche Fleisch auf dem Tisch. Ich meine ... schön für euch, schön für Elsbeth. Darum geht’s gar nicht. Worum es geht, ist, dass in der Haarbürste deiner Schwester neuerdings schwarze Kräuselhaare zu finden sind. Wer hat bei euch schwarze Locken? Alle paar Tage schleicht da bei euch dieser Hund herum. Jeder im Dorf weiß, wessen hammelbeiniger, schafsköpfiger, absolut hässlicher Hund mit Sophie auf den Hutberg spaziert. Das ist doch nicht normal. Genauso wenig wie die neuen Schulbücher von Sophie. Sophie in der Schule? Wir gehen in keine Schule, Caspar! Was ist das mit der Treuentzien und ihrem Hund?“
    „Sophie verdient sich was dazu. Sie wollte in die Schule gehen. Und würdest du dich mal bitte beruhigen?“
    „Nein, Caspar, es geht auch um meine Familie! Ich habe euch und uns immer als ein und dieselbe Familie betrachtet, Elsbeth ist schon mehr mein Weib als meine Verlobte.“
    „Ich hoffe, dass ich das nicht wörtlich nehmen muss!“
    Herrmann wurde rot und Caspar allmählich zornig.
    „Herrmann!“
    „Mensch, Caspar, du weißt, dass wir nicht nur Händchen halten, genauso wenig wie du und Emilie.“
    „Lass die raus!“
    „Gut, Caspar, aber was ist mit dem Leinewebstuhl, an dem ihr Tag und Nacht rackert? Man hört ihn fast bis in den Morgen! Egal wann man bei euch vorbeikommt, immer sitzt da einer am Leinewebstuhl. Caspar, ich krieg Elsbeth überhaupt nicht mehr zu Gesicht, weil sie achtzig Ellen zu machen hat. Das ist verrückt! Die Treuentziens bringen euch um damit.“
    Die Treuentziens? Wieso die Treuentziens? Caspar kam gar nicht zum Nachdenken. „Herrmann ...“
    „Und Balthasar? Sieh ihn dir an! Der zieht am Zampelstuhl das Gesicht der Treuentzien in die Länge und webt achtzig Ellen Leinwand, wenn du mal nicht im Damastwebstuhl sitzt. Wie lange, meinst du, soll das gehen? Er ist grad fünfzehn geworden! Er gehört in die Zunftversammlungen, damit er was lernt. Er sollte sich mit Mädchen treffen und nicht von früh bis spät bei euch zu Hause hocken. Caspar, Balthasar sieht gar nicht gut aus. Das weißt du!“
    Ja, das wusste Caspar, aber was sollte er machen? „Was soll ich denn machen?“
    Eine kleine Pause entstand, in der Caspar merkte, dass sich sein bester Freund wirklich große Sorgen um ihn und seine Familie machte. „Heirate! Um Gottes willen, Caspar. Begrab deinen Stolz. Die Wangern muss es ja nicht sein ... Die Emilie ist eine Gute. Werde Meister, Caspar! Dann sind Liebig und der alte Treuentzien zufrieden und lassen euch mit der Leinwand in Ruhe!“
    „Ich will nicht heiraten.“
    Herrmann blitzte ihn an: „Du! Könntest du einmal, Caspar, ein einziges

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