Die Tuchhaendlerin von Koeln
London?«
Sie schaute sich suchend um, entdeckte mich aber nicht hinter dem Wasserfaß.
»Zwei Wochen« antwortete er.
»Dann trifft es sich ja gut, daß wir diesmal nur wenige Stoffe mitgebracht haben, die müßten wir sonst vermutlich wieder mitnehmen. Sicher habt Ihr alle Londoner Händler mit Kölner Tuch versorgt«, scherzte Mutter.
Da sie beide nicht in meine Richtung sahen, schlüpfte ich aus meinem Versteck und schlich leise die Treppe hinunter.
Unten blieb ich stehen und lauschte, konnte aber nicht verstehen, was sie sagten, sondern hörte nur, daß sie sich angeregt und fröhlich unterhielten.
Ich ärgerte mich über meine Mutter. Wie kam sie dazu, so frei und heiter mit einem fremden Mann zu sprechen? Und noch mehr ärgerte ich mich über ihn, über sein unverschämt selbstsicheres Auftreten und daß er es wagte, meiner Mutter so voller Verehrung den Hof zu machen.
Er blieb allerdings nicht lange. Während ich noch unschlüssig war, ob ich mich rasch umziehen und wieder nach oben gehen sollte, kam Mutter schon wieder die Treppe herab.
»Wer war das eigentlich?« knurrte ich. »Ach, du kennst ihn nicht?« fragte Mutter erstaunt. »Das war Gottschalk, der ältere Sohn des Kaufmanns Regenzo. Gottschalks Mutter ist Godelive aus der reichen Pilgrim-Sippe. Große Tuchhändler alle miteinander. Und so ein liebenswürdiger und gutaussehender Mann!«
Da trat ich vor Zorn gegen einen Holzeimer, daß er polternd über den Fußboden rollte, drehte mich um und verschwand in der winzigen Kajüte. Ich hoffte nur, daß ich diesen liebenswürdigen und gutaussehenden Mann nie wieder zu Gesicht bekam.
Bald darauf kam Vater und holte uns ab. Theoderich hielt die Nachtwache auf dem Schiff, denn die Waren konnten erst am nächsten Tag entladen werden.
Als wir uns zur abendlichen Tafel in der Gildehalle versammelten, kam ich als letzte. Ich trug mein grünes Seidenkleid mit der kleinen Schleppe. Vater machte große Augen. »Wieso hast du denn dieses Gewand angezogen?« wollte er wissen. »Ist das nicht etwas zu festlich?« Ich warf den Kopf zurück. »Müssen wir hier wie arme Kirchenmäuse auftreten?« fragte ich schnippisch. Mutter musterte mich
nachdenklich. Ich hatte mich in die Wangen gekniffen, damit sie röter aussahen, und der Trick war ihr natürlich bekannt. Aber sie sagte nichts.
Der widerwärtige Herr Gottschalk war nicht zu sehen. Als er auch nach der Suppe noch nicht aufgetaucht war, bemerkte ich ganz beiläufig: »Dieser Kaufmann, der vorhin so um dich herumscharwenzelte - wie hieß er doch gleich? -, wird nichts mehr zu essen bekommen.«
»Gottschalk. Er heißt Gottschalk«, meinte Mutter erheitert und sah mich prüfend an, was mich schon wieder verdroß.
»Ganz schön eingebildet, dieser Gottschalk. Dieser Gottschalk Overstolz«, zischte ich.
»Er ist schon abgereist«, erklärte Mutter freundlich. »Der Name Gottschalk Overstolz paßt übrigens nicht schlecht zu ihm.«
Abgereist. Na also, dann brauchte ich mich ja nicht weiter über ihn zu ärgern. Gut so. Ich warf den Kopf in den Nakken und ärgerte mich trotzdem mächtig.
Ein ganz klein wenig schade war es aber doch, daß ich ihm nun nicht mit meinem grünseidenen Kleid mit der Schleppe imponieren konnte.
Wir wollten uns eine Woche in London aufhalten, und ich genoß jede Minute. Am liebsten wäre ich in meinem Schiffsjungenhabit allein in der Stadt herumgestrolcht, aber diesen Wunsch verwehrte Vater mir ganz schnell und verbot es nachdrücklich. Ich zog eine Flunsch, aber Mutter bemerkte dazu: »Stell dir vor, was die anderen Kölner über dich denken, wenn sie dich in Jungenkleidern in die Gildehalle zurückkommen sehen!«
Ich wußte, daß sie recht hatte, und redete von etwas anderem.
Aber Theoderich, der immer ein Herz für andere hatte, merkte, wie enttäuscht ich war, und nahm mich häufig mit - allerdings in Mädchenkleidern. Er zeigte mir den Tower, in dem der König wohnte, wenn er in London war, und ich starrte lange auf die düsteren Mauern. Ich hatte noch nie einen König gesehen! Wohl aber einen Kaiser: Friedrich den Rotbart, im letzten Jahr, als unsere ganze Familie in Aachen der Heiligsprechung Karls des Großen beiwohnte.
Dann gelang es Vater, eine Audienz bei Königin Alienor zu bekommen. Und er beschloß mit Mutter, daß ich ihn begleiten sollte! Ich war ganz außer mir. Die Königin war eine berühmte Frau, und in ganz Europa wurde über sie geklatscht. Sie besaß ein großes Fürstentum in Frankreich, war zuerst
Weitere Kostenlose Bücher