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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Hardy zu schwach, um sich aufzurichten. Dennoch wurde Ali mit absoluter Gewißheit klar: Das Gedächtnis seines alten Freundes war so vollkommen intakt wie ein Speichermedium im staubfreien Labor, Alkoholvergiftung hin, Alkoholvergiftung her. Der Dreckskerl war auf dem Rücksitz wieder zu sich gekommen, und obwohl er anscheinend nicht einmal aufrecht sitzen konnte, war dieses delikate Detail das erste, was ihm sofort wieder in den Sinn gekommen war. Demzufolge bestand auch keine Chance, daß er die Sache unter natürlichen Umständen je wieder vergaß. Es bereitete Ali plötzlich Schwierigkeiten, die dunkle Straße im Auge zu behalten, und die ihm entgegenfliegenden Lichter der Wagen erinnerten ihn nun mit einem Mal an glühende Speere, die sich ihm geradewegs in die Augen hineinbohren wollten.
    »Fühl mich krank, Killer. Krankenhaus, bring mich … Wieviel hast du da drin, im Hügel? Warum? Scheiße, kann nicht mal kotzen! … «
    Er keuchte, und seine Aussprache hatte etwas Lispelndes, weil ihm inzwischen die Schneidezähne fehlten. Ali fühlte sich jetzt genötigt, doch etwas zu sagen.
    »Bleib ruhig liegen, Hardy, bald bist du zu Hause.«
    »Zu Hause? Hab kein Zuhause. Du hast ein Zuhause. Piekfein und arschteuer. Wie viele Affen mußtest du dafür in den Hügel tun, Killer? Wie geht das überhaupt? Man tötet Leute und wird berühmt und reich, kapier' ich nicht. Gott, so schlecht war mir noch nie … «
    »Hardy, hör auf zu quatschen, und versuch lieber noch zu schlafen. Wir sind bald da.«
    »Bald da - am Arsch hängt der Hammer! Ich weiß Bescheid. Keine Sorge, verrate nix. Mir doch egal. Bist mein Freund, wieder mein bester Freund. Kannst mir was borgen, vielleicht ein paar Tausender für den Anfang. Erst fährst du mich ins Krankenhaus, und dann borgst du mir was. Schulden, du verstehst? Dann vielleicht mehr. Wollt mir schon immer ein Boot zulegen, so bißchen rumsegeln über die Meere, bin Kapitän im Herzen, du verstehst? Ahoi! Diese Toten in deinem Hügel, ich habe sie nicht gesehen, Psst! Ehrensache, weiß gar nicht, wovon Sie reden, Herr Wachtmeister, haha, wir sind wieder Freunde, dreißigtausend Mark Schulden, mir ist so komisch, komm bloß nicht auf dumme Gedanken ...«
    Doch Hardy irrte sich, wenn er sich in der Rolle des cleveren Erpressers sah. Er besaß nämlich einen Makel, den ein Erpresser auf gar keinen Fall haben durfte: Geschwätzigkeit. Wenn Ali ihm für sein Schweigen auch nur einen Hunderter zusteckte, würde er flugs in die nächste Kneipe rennen und jedem, der es hören wollte oder nicht, in allen Einzelheiten erzählen, für welchen Dienst er den Hunderter bekommen hätte. Bei Lichte besehen hatte er vielleicht noch einen zweiten Makel: Er war unersättlich. Das heißt, er würde im Besitz von Geldsummen, die seine überschaubaren Bilanzen überstiegen, komplett durchdrehen. Er würde ruck, zuck alles ausgeben, ja mit ziemlicher Sicherheit neue Schulden aufnehmen und dann schnell wieder bei ihm auf der Matte stehen. Er war das sprichwörtliche Faß ohne Boden und der Schrecken ohne Ende in Personalunion. Abgesehen davon, daß es ohnehin an Idiotie grenzen würde, wenn Ali mit jemandem, der von dem Wort Promille für sich nur das Pro gelten ließ, einen Pakt einginge.
    Ali merkte, daß er inzwischen automatisch in Straßen abbog, die von Hardys einsamer Betonklause wegführten. Eigentlich hatte er über Umwege bereits eine Kehrtwendung gemacht. Und er mußte sich gestehen, daß es die ihm bisher unbekannte Liebe seines Freundes zur See war, die ihn dazu inspiriert hatte. Er fuhr nun plötzlich in Richtung Fluß, zu einer bestimmten Stelle, wo er und Ida früher das Leben in vollen Zügen genossen hatten. Er war sich sicher, daß sein frisch aufgekeimter Plan von Erfolg gekrönt sein würde, und diese Zuversicht basierte auf dem einen Nebensatz, den er bei Kasimir Kreuzer jr. hatte fallen lassen: »Wundern Sie sich nicht, Herr Kommissar, wenn aus meinem Bekanntenkreis bald der nächste Tote gemeldet wird.« Ja, so wie sich Hardy auf dem Einweihungsfest benommen hatte und so wie ihn überhaupt alle kannten, würde es kaum für Erstaunen sorgen, wenn er seinen erst in ein paar Jahren stattfindenden Selbstmord etwas vorziehen würde. Er würde sowieso früh sterben, umständehalber nun eben ein bißchen früher. Ein kleiner Dialog aus der Zukunft entspann sich in seinem Kopf:
    »Sie haben ja selbst gesehen, in welchem Zustand Hardy schon am Anfang der Party war, Herr Kommissar. Danach

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