Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
ihnen beiden aus jeweils unterschiedlichen Gründen nichts auszumachen: Hardy spürte sie in seinem Zustand nicht, und Ali war sie egal. Sie wateten die Schräge immer weiter herunter, wobei sich Hardy wie ein widerspenstiger Hypnotisierter benahm, der zwar die Befehle des Meisters ausführte, jedoch trotz seines ferngelenkten Bewußtseins mitbekam, daß an seinem Handeln etwas nicht stimmte.
»Ist merkwürdig hier, alles so merkwürdig«, sagte er. »Genauso merkwürdig wie die Sache, daß du diese Leute in deinem Garten vergraben hast. Früher hast du so was nie getan. Nicht, daß ich's wüßte. Müssen wir irgendwohin schwimmen?«
Er sagte das sehr leise und ohne Hoffnung, ja wie ein stilles Gebet, als ahne er sein bevorstehendes, unausweichliches Schicksal, ohne die Kraft aufbringen zu können, sich dagegen aufzubäumen. Es hörte sich an wie die letzten Worte eines zum Tode Verurteilten auf dem Weg zur Hinrichtung. Deshalb schwieg Ali. Das Wasser ging ihnen jetzt bis zu den Knien, und Ali wußte, daß das Endstück der Rampe in Kürze erreicht sein würde. Er trieb Hardy weiter voran, doch dieser verlangsamte sein ohnehin gemächliches Tempo immer mehr, bockte geradezu. Er mußte ihn gewaltsam schieben und stoßen, damit er einen Fuß vor den anderen setzte.
Oberschenkel, Hüfte, Bauch, Taille, mehr als die Hälfte ihrer Körper befand sich inzwischen unter dem Wasserspiegel. Ali hielt den entscheidenden Augenblick für gekommen; die Rampe würde sowieso bald enden. Er stellte sich innerlich auf ein Handgemenge ein. Hardy würde sich bestimmt wehren, und alter Bär, der er war, würde er noch einmal alle seine Kräfte aufbieten, um dem Tod zu entkommen. Doch letzten Endes würde es nichts nützen. Der Bär war des Kampfes müde geworden.
Sie blieben stehen. Das pechschwarze Wasser plätscherte neckisch unterhalb ihrer Brust. Hardy schaute sich noch einmal um. Nichts als Dunkelheit. Und vollendete Stille. Die Kairampe im Hintergrund nur unwesentlich heller, ein bloß aus Schattenwänden bestehender Durchlaß in die totale Finsternis. Sein Blick fuhr zu den Sternen auf, und da plötzlich erschien auf seinem aufgedunsenen Gesicht der Anflug eines unbestimmten Lächelns.
»Du würdest mir doch nichts antun, oder, Killer?« sagte er, ohne den Kopf zu senken und Ali anzusehen.
»Nein, Hardy, das würde ich nie tun. Du bist mein Freund.«
»Ja, wir sind Freunde, die besten Freunde. Ich hatte nie einen Freund. Bis ich dich kennengelernt habe. Wir gleichen uns. Irgend etwas verbindet uns, als gäbe es da ein altes Geheimnis, das nur wir beide kennen. Sehen wir uns wieder, Killer?«
»Natürlich, Hardy, sehr bald sogar.«
Ali nahm Hardys Kopf in beide Hände und drückte ihn langsam nieder. Seltsamerweise brauchte er gar keine Kraft auszuüben, denn statt sich zu wehren, gab Hardy bereitwillig nach und ließ sich langsam ins Wasser sinken. Ali war überrascht, und doch ließ er sich nichts davon anmerken und behielt seine Hände auf dem Ochsenschädel seines besten Freundes.
»Aber, aber, Herr Seichtem, die Badesaison is' doch noch gar nicht eröffnet!«
Ali glaubte eine Stimme direkt aus dem Zentrum seines ausgebrochenen Wahnsinns vernommen zu haben. Nicht zuletzt deshalb, weil ihm die Stimme bekannt vorkam, sie also durchaus seine eigene sein konnte. Dann aber - Hardy war schon bis zum Halsansatz im Wasser - erkannte er in seinem Tun ein völlig eigennütziges, das heißt ganz und gar kein wahnsinniges Motiv und fand auch, daß die Stimme überhaupt nicht wie seine eigene geklungen hatte.
Er ließ von Hardys Kopf ab und wandte sich zur Kairampe um, von wo aus die Worte gekommen waren. Die Finsternis gab nichts preis. Dort in der Ferne, wo seine Ente stand, herrschte weiterhin das Schattenreich. Er hob den Blick und sah am oberen Ende der Zufahrt den Umriß eines Motorrads. Dann senkte er den Blick wieder, und aus dem Schattenreich trat eine Gestalt hervor.
»Ist was?« sagte Hardy, weil er die Unterbrechung seiner eigenen Hinrichtung gespürt hatte. »Läuft was schief?«
Ali watete durch das Wasser zurück, eher erbost als wirklich bestürzt. Und je mehr er sich dem Schatten näherte und Einzelheiten erkennen konnte, desto mehr wurde es ihm zur furchtbaren Gewißheit: Neben seinem Wagen erwartete ihn Ricardo, der Latino-Verschnitt! Er trug nun eine Motorradjacke über seinem Netzhemd. Allerdings war das auch die einzige Veränderung, was sein Aussehen betraf, denn selbst in dieser allgegenwärtigen S
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