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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Jackenrevers. Ein Klumpfuß, der rechte, steckte in einem orthopädischen Lackschuh.
    Ali ließ sich von der Spukgestalt mit dem französischen Akzent nicht beeindrucken.
    »Ich sehe wohl kaum aus wie ein Maler«, tönte er und ließ seinen Blick abschätzig über die punktuell angestrahlten Gemälde streifen.
    »Nein, Monsieur, das tun Sie nicht. Sie sehen eher aus wie ein Malerdarsteller a us einem dieser alten Hollywood- Musicals, die sich in einem bonbonfarbenen Paris abspielen. Ein Kerl mit einer Farbpalette in der Hand, der vor dem Hintergrund des Eiffelturms so tut, als würde er malen, aber dabei ständig wie ein Schwuler tanzt.«
    Er kehrte Ali den Rücken und entfernte sich humpelnd in die Mitte des Raumes. Im Rauch seiner Zigarette wurde er zu einer Silhouette.
    »Ich allerdings kann echte Maler riechen. Und Sie sind einer!«
    »So? Wonach riecht denn ein echter Maler?«
    Langsam begann ihn dieser Pseudomethusalem zu amüsieren.
    »Es ist ein widerlicher Gestank, Monsieur«, sagte der Galerist, und Ali fand, daß ihm trotz seiner angejahrten Erscheinung und der schiefen Klumpfußhaltung etwas Rohes, ja Brutales anhaftete.
    »Es riecht nach Selbstsucht, Gier, vor allem aber nach Größenwahn. Künstler gelten im allgemeinen als sensible Träumer, doch das ist ein Bild, das ein Schwachkopf erfunden haben muß. In Wahrheit sind sie allesamt kleine Ärsche, die sich von gewöhnlichen Ärschen nur durch ihren obszönen Hunger auf Ruhm und Geld unterscheiden. Gib einem Maler genug Geld und sag ihm, daß er der Größte sei, und er wird sich bei dir sogar mit einem Afterkuß bedanken!«
    »Ihre Nase muß aber ganz schön verschnupft sein, wenn Sie hier viel Ruhm und viel Geld riechen, Monsieur. Diese Bilder sehen nämlich alle so aus, als wären sie mit einem Körperteil gemalt worden, dessen Namen Sie so gern in den Mund nehmen.«
    Der Galerist brach in Gelächter aus.
    »Na und? Meinen Sie etwa, das wüßte ich nicht? Meine Galerie steht schließlich nicht in New York oder in London. Hier kommen keine Miros und Monets reinspaziert. Und in dieser Stadt gibt es vielleicht sechs Leute, die bereit sind, für Kunst Geld auszugeben, und deren Geschmack ist durch den Kulturkanal des Fernsehens geprägt. Wer bei mir einkauft, weiß, daß er außer einer hübschen Wanddekoration nichts Wertvolles bekommt. Sie können sich so ein Teil übers Bett hängen, und es sieht gut aus.«
    Ali schüttelte resigniert den Kopf, wandte sich zur Tür und wollte gehen.
    »Schöne Aussichten, wenn man bei Ihnen ausstellen will.«
    »Sie wollen bei mir ausstellen?« rief ihm der Klumpfuß höhnisch nach.
    »Nein. Ich stehe nämlich auf viel Ruhm und viel Geld, müssen Sie wissen. Außerdem male ich orthodox gegenständlich.«
    »Ach, und das macht Sie automatisch zu einem Genie, was?«
    Am Ende hatte es dieser Giftzwerg also doch geschafft, ihn wieder in jene Wut zu versetzen, mit der er den Laden betreten hatte. Es erzeugte in ihm Brechreiz, wie diese zynische Krämerseele in provokanter Manier für seine Krämerseelennöte um Verständnis bat und dabei auch noch durchblicken ließ, der auf ihn angewiesene Besucher sei ein Komplize in spe. Produziere den Mist, der verlangt wird, und überlaß mir das Geschäft, hieß die Botschaft. Wie eine Spinne in ihrem Netz, die jede Fliege willkommen heißt, schoß es Seichtem durch den Kopf. Am liebsten hätte er diesem arroganten Kerl irgendeinen sehr wichtigen Knochen zertrümmert.
    Er wandte sich um, als er die Tür erreichte, um zumindest verbal ordentlich zuzuschlagen - als er mit einem Mal etwas hörte, was er in einer Galerie noch nie gehört hatte: das Plärren eines Babys! Es kam aus der Dunkelheit im hinteren Teil des Raumes, wo sich eine Tür zu den privaten Gemächern befand.
    »Gehen Sie noch nicht, Monsieur«, sagte der Galerist in beschwörendem Tonfall und blickte Ali mit tiefem Ernst direkt in die Augen. »So wie ich die Sache sehe, bin ich der einzige, der etwas von Ihnen ausstellen wird.«
    Dann verschwand er und kam mit einem winzigen Bündel Mensch im rosa Strampelanzug in den Armen zurück, das in einem Schreikrampf Janis-Joplin-ähnlicher Stimmlage verharrte. Das Baby hatte ein derart rotangelaufenes Gesicht, als würde es jeden Moment explodieren, und sabberte schlimmer als eine Bulldogge. Ali wollte den alten Père darauf aufmerksam machen, daß der seitlich ziehende Rauch seiner Zigarette gleich neben der Schläfe der Kleinen weder zu deren Gesundheit noch zur allgemeinen

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