Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
nicht gerade!« sagte er kauend.
Ehepaare, selbst Ex-Ehepaare hatten eine Menge Witze auf Lager, die außer ihnen selbst kein Mensch komisch fand.
»Ich habe noch eine Bitte.« Sein Lächeln wurde jetzt unverschämt. »Wäre es vielleicht möglich, daß du noch zwei Schinkenbrote machst oder so etwas. Vielleicht hast du ja auch irgendwo ein paar Gewürzgürkchen stehen, Salatblätter, vielleicht ein gekochtes Ei oder Zwiebelringe ...«
Bevor er weitersprach, stand sie auf und ging kopfschüttelnd mit dem Tablett in die Küche. Er hörte die Kühlschranktür mehrmals auf- und zuklappen, Geschirr und Besteck scheppern und das Röcheln der Kaffeemaschine. Dann kam sie wieder ins Wohnzimmer zurück und präsentierte ihm auf dem Tablett einen großen Teller voller raffinierter, sogar mit Petersilie dekorierter Toastschnittchen und zwei volle Kaffeebecher. Das einzige, das diesen behaglichen Abend noch krönen könnte, wäre ein wenig Alterssex, dachte Ali, was die Dinge in dieser Abteilung nach mehr als einem Jahr Entsagung auch wieder in Ordnung brächte. Na ja, vielleicht kam das ja noch.
Er stürzte sich sofort auf die Schnittchen. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, kauend einige Nebensächlichkeiten anzusprechen.
»Ich sehe, du hast zwei schöne Messer gekauft. Befürchtest du, mich bis an mein Lebensende bekochen zu müssen?«
Sie schwieg, griff nach einem der Becher, nahm einen Schluck und steckte sich eine neue Zigarette an. Wie der Rauch aus ihren Nasenlöchern stieg, erinnerte sie ihn an eine verkohlte Leiche, von der noch die letzten Schwaden aufsteigen. Berufskrankheit wohl, wenn man wie er schon so viele Tote gemalt hatte.
Schließlich brach sie ihr Schweigen.
»Wir beide besitzen weder Waffen noch kennen wir uns mit Waffen aus. Und bei der Beschaffung würden wir uns entweder lächerlich machen oder in den Knast wandern. Ich weiß, daß die Sache mit den Messern grausam erscheint, aber weißt du vielleicht eine bessere Lösung? Ich habe Stunden darüber nachgedacht: Wir haben keine andere Wahl.«
»Wovon redest du überhaupt?«
Er bildete sich tatsächlich ein, daß er das nicht wüßte.
»Du weißt, wovon ich rede. Und du weißt auch, daß ich recht habe.«
»Ach, Ida«, seufzte Seichtem, wobei er zu seiner Erleichterung einen kleinen versteckten Rülpser in dem Seufzer unterbringen konnte. Er hatte nun das letzte Schnittchen verdrückt und fühlte sich stark genug, ihr die unendlichen Möglichkeiten ihres zukünftigen gemeinsamen Schicksals überzeugend zu schildern. Ihr gemeinsames Schicksal - es schien für ihn der einzige mögliche Weg in ein einigermaßen erträgliches und schmerzfreies Leben zu sein. Er war einfach zu alt oder zu ungeschickt, um noch einmal ohne sie neu anzufangen. Gewiß, ein paar Frauengeschichten, einige kleine Fluchten und viele unerfreuliche Krisen würden auch in dieser wunderbaren zukünftigen Welt nicht ausbleiben. Aber immerhin würde er dafür jeden Abend in ein echtes Zuhause eintauchen können, mit jemandem, der ihn kannte und liebte. Jemand, in dessen Armen man bei Blitz und Donner immer Zuflucht finden konnte, während der Duft eines wilden, freien Lebens längst verweht wäre wie der Duft eines jungen Mädchens. Wie der Duft von Florence.
Ali sah ein, daß diese Überlegungen sich wohl kaum mit den Biographien von Picasso & Co. vertrugen, den mutigen Männern, denen die Kunst und ihre Freiheit das Wichtigste waren und nicht ihre kleinen Seelenwehwehchen. Doch er war nun einmal kein Picasso, nein, das war man wohl wirklich nicht, wenn man einem Haus im Mittelschicht-Disneyland nachweinte oder gar seiner Ehe! Also galt es - für den Lebensabend vorzusorgen? O Gott, für die Rente? Der Austausch großer Erwartungen und Ideale gegen die bürgerliche Wärme für die immer kälter werdenden Füße im Winter des Lebens? In Zukunft nicht mehr Tote malen, Ali, gefälliger malen, tja, im weitesten Sinne schön malen! Vielleicht nicht gerade den röhrenden Hirsch, aber so etwas in der Kategorie.
Na und, dann war er eben provinziell! Das hatten sie ihm doch ohnehin immer vorgeworfen. Gut, dann sollten sie auch recht behalten! Provinziell zu sein war jedenfalls weitaus gesünder als sich bis an der Schwelle zum Infarkt mit Wodka zuzuschütten und in stinkenden Bruchbuden Selbstmordgedanken nachzuhängen. Er hatte die Schlacht um die große Kunst und um das große Geld verloren, aber mit Idas Hilfe und ihrer Lasagne verde al forno konnte er sich noch ein schönes
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