Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
provinzielles Doppelkinn anzüchten und der Picasso der Stadtsparkassenflure werden!
»Ich habe dir heute vormittag sehr gerne zugehört, Ida.« Er wollte feierlich klingen, baute sich mit dem Oberkörper ein wenig auf und legte sein herb schönes Gesicht in nachdenkliche Falten.
»Du hast recht: Was uns passiert ist, ist wirklich nicht das Ende der Welt. Sicher, wir haben alles verloren, und Patrick, ich meine, sein Verlust, diese Wunde wird niemals mehr heilen. Aber der Blick zurück, insbesondere der unheimliche Blick von dieser Tür in die Vergangenheit, kann keine Lösung sein. Das Pläneschmieden in diese Richtung führt direkt ins Grauen, und das, was mit uns geschehen wird, wenn wir in Aktion treten, wird ebenfalls das Grauen sein. Deshalb sollten wir die Sache einfach vergessen und nie wieder in die Nähe dieser Straße kommen. Wir beide können es auch ohne diesen Hokuspokus schaffen. Wie früher. Wir sind wieder füreinander da, ich lege mit der Malerei los, mit voller Kraft, Tag und Nacht, du unterstützt mich dabei, bis wir über den Berg sind, wir zapfen die alten Kontakte an, putzen wieder die Klinken bei den Galerien und ...«
Plötzlich hörte er ein merkwürdiges Geräusch. Es klang wie unterdrücktes Wiehern. Er war in der Zwischenzeit aufgestanden und ging im Zimmer auf und ab, um so etwas Bewegung in seine Gedanken zu bringen. Dabei hatte er Ida den Rücken zugewandt. Als er sich nun zu ihr umdrehte, stellte er geschockt fest, daß das Geräusch von ihr kam. Es war der Beginn eines schrecklichen Gelächters, das, heiser und abgehackt, wie ein leises Wiehern eben, eingesetzt hatte, jetzt jedoch immer mehr anschwoll, obszön und aggressiv wurde und schließlich in einem ohrenbetäubenden Brüllen kulminierte, das er bei Ida noch nie gehört hatte.
Sie lachte ihn aus. Zwischen den Fingern die bis zum Filter heruntergerauchte Kippe, auf dem Schoß der abgefallene und zerbröselte Ascheturm, in der Düsternis unheilvoll auf dem Sessel lümmelnd wie ein heimtückisches Tier, das Gesicht in bösem Hohn verzerrt.
»Warum lachst du?« schrie Ali. »Besteht der Sinn des Lebens wirklich nur darin, in Häusern, wie man sie in diesen beschissenen Designbildbänden sieht, zu wohnen? Bekommt das Leben erst einen Sinn, wenn man übers Wochenende in New York bei › Balthazar ‹ tafelt oder zu Partys von Prominenten eingeladen wird, deren Visagen einen schon aus dem Fernsehen ankotzen? Mußt du unbedingt mit einer Hure, die sich einem Staranwalt an den Hals geschmissen hat, um den schönsten Garten konkurrieren, um Erfüllung zu finden? Mußt du partout Garouste-&-Bonetti-Möbel und Bvlgari-Schmuck besitzen? Hast du denn nichts anderes, was dich glücklich macht, Ida?«
Sie wurde schlagartig still und starrte ihn aus Augen an, die aus Gletschereis geformt zu sein schienen.
»Nein, Ali, das war das einzige, was ich hatte!«
»Was, was hast du gesagt?«
»Du hast schon richtig gehört, mein Schatz , spar dir bitte deine Talkshow-Dekadenzkritik! Meinetwegen kannst du sie deiner kleinen Florence erzählen, am besten während du sie von hinten nimmst, damit die Argumente mehr Stoßkraft erhalten. Nur weil du jetzt auf den Hund gekommen bist und dir allmählich schwant, daß du an die süßen Trauben nicht mehr drankommen wirst, bedeutet das nicht, daß wir den ganzen Tag vor Unglück geweint haben, als wir noch Geld hatten. Du bist verzweifelt, vor allem bist du feige, und deshalb sehnst du dich nach einem kleinen spießigen Idyll, natürlich wiederum nicht so spießig, daß man um fünf Uhr morgens aus dem Bett müßte oder sich mit dem Nachbarn vom oberen Balkon über die außerhalb der Hausordnung stattfindenden Grillzeiten zankt. Eher so etwas in der kuscheligen Mitte. Die graubärtige Künstlerwitzfigur, deren Bild ab und zu in der Lokalzeitung auftaucht und die die Lokalpolitiker mit Kunst am Bau für das neue Rathaus beauftragen. Oder für das Klo des Drogenzentrums. Aber das ist eine Illusion!«
»Warum?« wollte er aus echter Neugier wissen. Tatsächlich war genau das seine Zukunftsvision gewesen.
»Weil du - das wird dich freuen - für die große Kunst geboren bist. Du bist unfähig, Begeisterung und Fleiß für den dekorativen Fliegenschiß aufzubringen. Beauville hat deinen Ruf und Wert derart ruiniert, daß kein namhafter Sammler deine Bilder mehr kaufen wird. Dein anvisierter Neuanfang ist dein Ende. Diesmal wird es nichts mit dem Vom-Dachkammermaler-zum-Millionär-Epos, Ali. Du wirst dich
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