Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
es nach diesen dämlichen VIP-Fragebögen: »Was war die größte Fehlentscheidung in Ihrem Leben?« Daß ich mich von meiner Frau habe überreden lassen, mein zehn Jahre jüngeres Ich zu ermorden - nächste Frage! Nein, so etwas brauchte Zeit, man mußte sich zu solch einer tonnenschweren Entscheidung erst einmal durchringen - auch wenn man sie in Wahrheit längst getroffen hatte -, und man brauchte einen ausgetüftelten Plan. Sonst rief das Opfer am Ende noch die Polizei. Haha, guter Witz.
»Warum denn noch heute? Das geht mir alles etwas zu schnell.«
»Weil der siebenundzwanzigste März 1991 ein Tag ist, an den ich mich minutiös erinnere. In allen Details. Immerhin war es der Auftakt unserer schönsten Zeit.«
Ida stand auf und kam hinter dem Tisch hervor, und Ali glaubte, daß sie in die Küche wollte, um noch etwas zu trinken zu holen. Aber sie ging schnurstracks in die Minidiele, die genaugenommen ein Teil des Wohnzimmers war, und zog sich ihre an mehreren Stellen aufgeplatzten alten Turnschuhe aus der Damalszeit an.
»So um halb elf hatte ich mich schon ins Bett gelegt, weil ich von dem ganzen Umzugstrubel völlig k.o. war, erinnerst du dich noch? Du hast im Arbeitszimmer über dem Kaufvertrag für das Haus und den vielen Rechnungen gebrütet, weil wir uns immer noch täglich fragten, ob wir uns so einen Protzkasten überhaupt leisten konnten. Ich war also allein hinten im ersten Stock, du vorne, alles klar?«
Sie band sich die Schnürsenkel zu und nahm dann ihren Trenchcoat vom Haken.
»Was wir damals nicht wußten und erst zwei Wochen später entdeckten: Das Schloß an der zur Straße liegenden Kellertür unter dem Treppenaufgang fehlte. Ein Dieb hätte nicht einmal eine Scheibe einschlagen müssen, um ins Haus zu gelangen. Und genau diese Diebe, die damals nicht kamen, werden wir jetzt sein. Wir werden uns in den Keller schleichen und dann durch den Hintereingang in den Garten. Die Küchentür dort stand in dieser Nacht halb offen, weil wir den Geruch der frischen Farbe möglichst schnell loswerden wollten. Wenn wir im Haus sind, gehe ich zu Ida ins Schlafzimmer vor, und du kümmerst dich um Ali im Arbeitszimmer.«
Ali und Ida - unsere Feinde, dachte Ali. Ihn fröstelte es bei dem Gedanken. Und doch konnte man sich einreden, das alles wäre nur ein makabrer Scherz. Geradeso, als brächen sie zu guten alten Freunden auf, um ihnen einen bösen Streich zu spielen. Ihre verängstigten Gesichter, wenn sie mit den Messern plötzlich vor ihnen auftauchten, und die Verblüffung, wenn sie in ihnen sich selbst erkannten, nur ein bißchen älter - diese Bilder blitzten vor seinem geistigen Auge auf wie Ausschnitte aus einem Horrorklassiker. Vielleicht sollten sie die Sache mit den Messern lassen, spann er die Idee weiter, und statt dessen nach dem ersten Schreck ein paar Flaschen köpfen. Es würde bestimmt für alle eine lustige Nacht werden, vor allem eine unvergeßliche.
»Eine Kleinigkeit noch«, sagte Ali. Er lächelte gequält. »Was machen wir mit den Leichen?«
Ida stand komplett angezogen in der Diele und zurrte sich gerade den Trenchcoatgürtel fest. »Wir werden sie im hinteren Teil des Gartens an der Trennmauer vergraben. Die Dunkelheit und das Spalier der Bäume und Büsche an den Seiten werden verhindern, daß uns die Nachbarn bei der Arbeit beobachten.«
»Aber Ida«, sagte Ali, unschlüssig, ob er ihr allen Ernstes folgen oder in letzter Sekunde einfach davonlaufen sollte. »Fragst du dich denn nicht, warum das alles geschehen ist? Wird dir denn bei der Frage nach dem Warum nicht unheimlich?«
»Nein«, antwortete sie. Sie blickte ihn mit gesenktem Kopf traurig an, so enttäuscht, wie ein Mädchen, das sich für den großen Ball kunstvoll zurechtgemacht hat und dann doch als einzige auf der Bank sitzen geblieben ist. »Ich will es nicht wissen, Ali. Ich weiß nur, daß ich so nicht weiterleben kann. Ich habe keine Kraft mehr, um wieder neu anzufangen, und ich liebe dich und unser altes gemeinsames Glück so sehr, daß ich es auch gar nicht will. Entweder es wird alles wieder so sein wie damals, oder ich werde bei diesem Weg zurück getötet. Spiel hier nicht den Sinnsucher. Wenn einer die Lösung dieses Geheimnisses kennt, dann du.«
8
A li betrachtete den klaren Nachthimmel, in dem die Sterne glühten wie Myriaden von herab starrenden Augen, während die unwirkliche Stimmung von ihm Besitz ergriff. Er stand hinter Ida in der Gasse an der Gartentüre, hatte den Kopf nach oben gereckt
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