Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
und Partyzwecke zur Verfügung stellten? War denn seine Prominenz so gediehen, daß man sich nach einem Double von ihm umgesehen hatte?
»Wer bist du?« fragte er jetzt halbwegs gefaßt. Sie begannen sich vorsichtig zu umkreisen. Ali ließ das Messer langsam sinken, als stelle er sich auf eine längere Diskussion ein.
»Hör zu, es ist etwas schwierig, dir die ganze Angelegenheit zu erklären. Du würdest es sowieso nicht verstehen. Vertrau mir einfach.«
»Dir vertrauen? Was willst du überhaupt von mir?«
Das war in der Tat kaum gefahrlos zu beantworten, aber mit einigen Fakten mußte er schon herausrücken, wenn er den Überraschungsangriff schon derart vermasselt hatte und nun in Hinblick auf die weitere Vorgehensweise auch nicht so recht weiterwußte. Was sollte er tun? Er brachte es einfach nicht übers Herz, ihm weh zu tun oder gar ihn zu töten, wie es geplant gewesen war. Abgesehen davon, daß das ohnehin kaum gelingen dürfte. Ihm stand schließlich ein zehn Jahre jüngerer, gesünderer und kräftigerer Ali gegenüber, mit schärferem Auge und fixeren Reaktionen. Er sollte lieber aufpassen, daß der Kerl ihm in einem geistesabwesenden Moment nicht das Messer aus der Hand schnappte und in den Hintern rammte. Unwillkürlich umklammerte er das Messer fester und hob es wieder in die Höhe.
»Du wirst es mir nicht glauben, Ali, aber ich bin gekommen, um dich zu warnen«, log er.
»Was du nicht sagst. Bist du ein Schauspieler oder so ein Partyclown, der Leute imitiert? Das mit der Stimme kriegst du schon ganz perfekt hin. Nach Hunderten von Fernsehinterviews weiß ich ja, wie sie außerhalb meines Kopfes klingt. Also sag schon endlich: Wer hat dich geschickt?«
Sich gegenseitig belauernd und doch auf eine abgründige Weise voneinander gefesselt, hatten sie mittlerweile wie auf einer Drehscheibe eine totale Umdrehung absolviert, so daß sie jetzt wieder in die Anfangsposition zurückfanden. Dabei war der junge Seichtem sichtlich selbstbewußter geworden. Gefangen in diesen hohen, wie von Kerzenlicht ausgeleuchteten Räumen fühlte sich der alte Seichtem dagegen an einen archaischen Schwertkampf in einem Burgverlies erinnert.
»Nein, Ali, nein. Niemand hat mich geschickt. Du weißt, wer ich bin. Ich bin du in zehn Jahren, so wirst du später sein. Weil du Fehler gemacht haben wirst.«
»Was denn, zu wenig gejoggt? Übrigens, hier gibt es nichts zu klauen. Wir, ich meine, ich bin erst heute eingezogen. Die teuren Sachen werden erst noch angeschafft. Wenn du das Messer weglegst, verspreche ich dir, nicht die Polizei zu holen. Außerdem kannst du alles haben, was in meinem Portemonnaie steckt.«
Er hatte sich verraten, seine Achillesferse gezeigt. Er fürchtete um Ida, seine geliebte Frau, die oben schlief. Weil er sie um jeden Preis vor dem Verrückten schützen wollte, tat er so, als wäre er der einzige im Haus. Und da fiel es Ali ein: Was trieb seine Ida eigentlich gerade? Bei diesem Gedanken kehrte das Grauen wieder zurück, und alles in ihm zog sich krampfartig zusammen, als sei er eine Schnecke, auf die man Salz gestreut hat.
»Nein, Ali, ich will kein Geld. Ich möchte dir nur sagen, daß du dein Glück zu schätzen wissen solltest. Vor allem solltest du von Florence die Finger lassen.«
Er hörte sich an wie sein eigener Vater, obwohl sein Vater der größte Hurenbock weit und breit gewesen war und auf derartige erbaulichen Ergüsse etwa so empfänglich reagiert hätte wie Nero auf die Lehre Jesu. Er schämte sich schon für den phantasielosen Moralmüll, den er von sich gab. Aber mit irgend etwas mußte er ihn schließlich hinhalten, bis er einen Ausweg aus dieser absurden Situation gefaßt hatte.
»Florence? Woher kennst du Florence? Hast du dem Kind etwas getan?«
Er spähte seitlich an Alis Kopf vorbei in den hinteren Teil der Räumlichkeiten, dorthin zu dem dunklen Bereich, wo sich der L-förmige Gang anschloß. Sein fahriger Blick verriet, daß er Ausschau nach Ida hielt, in der Befürchtung, sie könnte durch das Geplapper inzwischen aufgewacht sein und würde in den Schlamassel hineinplatzen.
»Woher ich sie kenne? Ich bin du, hast du das immer noch nicht kapiert? Und um deine zweite Frage zu beantworten: Ja, ich habe Florence etwas angetan. Allerdings war sie da kein Kind mehr. Ich, du, wir haben all das hier aufs Spiel gesetzt und verloren. Schau, was aus mir geworden ist: ein trauriger Abklatsch deiner selbst. Du hältst dich zur Zeit für unverwundbar, weil du ein paar Erfolge
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