Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
Vom Netzwerk:
hattest. Aber du solltest dich auf einen tiefen Fall vorbereiten. In acht bis neun Jahren wirst du am Ende sein.«
    »In acht bis neun Jahren?«
    Es war unglaublich, aber Ali brach in ein brüllendes Gelächter aus. »Na bis dahin kann ich ja noch die eine oder andere Sau rauslassen, was Kamerad!« sagte er mit Lachtränen in den Augen.
    So ein alberner Junge, dachte Ali und empfand wieder dieses wärme, fast väterliche Gefühl für sein übermütiges Gegenüber.
    »Und was ist mit › Du wirst in mir weiterleben ‹ ? Willst du ein Buch über mich schreiben? Oder mit deiner Machete eines ritzen?«
    Erneut lachte er auf.
    »Nein, nein, kein Buch ...«
    »Ida, lauf weg!« schrie Ali plötzlich so laut, daß es durch das gesamte Haus schallte. Als Ali zu ihm aufschaute, sah er, daß die frohe Miene wieder der Schreckensfratze von vorhin gewichen war. Sein verzweifelter Blick zielte wieder über die Schulter seines Gegenübers, und er machte mit den Händen eine abwehrende Geste, so als wolle er einen Unfall verhindern. Vielleicht war es ein Trick, der älteste Trick der Welt, um den Angreifer für einen Moment abzulenken. Ali ermahnte sich, zu widerstehen und nicht über die Schulter zu blicken, nicht einmal für eine Sekunde, in welcher sein Gegner unbeobachtet wäre. Doch dann siegte doch ein uralter Reflex, und er wandte sich um.
    Es war kein Trick. Ida stand tatsächlich regungslos vor der Panoramascheibe des Wintergartens. Genauer gesagt, ein Scherenschnitt mit Idas Umrissen gegen den tiefblauen Sternenhimmel verharrte stumm in der über dreißig Schritte entfernten Düsternis und starrte sie beide an. Schwer zu sagen, um welche Ida es sich handelte. Um die junge Ida, die der Attacke seiner Ida irgendwie hatte entkommen können, schnell herübergelaufen war und sich nun angesichts der hier vorgefundenen Szene vor Schreck nicht mehr rühren konnte? Oder um ...
    Um das zu klären, rief er: »Ida?«
    Aber da ging sein Ruf schon in dem panischen Rufen seines Pseudosohnes unter.
    »Lauf weg, Ida! Schnell! Lauf weg ...«
    Er sah den wild brüllenden Ali voranpreschen, nachdem er sich rasch wieder nach vorne gedreht hatte. Er kam wie ein Geschoß auf ihn zugestürmt, und er konnte gerade noch rechtzeitig reagieren, als er ihn längs streifte.
    »Nein, tu das nicht, Mann«, sagte er so vornehm leise, als es im gleichen Augenblick auch schon passierte. Eigentlich war er immer noch unentschlossen. Und eigentlich wollte er ihn mit der rechten Hand nur stoppen, damit er nicht in sein Unglück rannte. Doch zufällig befand sich in dieser Hand das Messer, und so benutzte er es als Bremse. Die Klinge schlug Ali einen tiefen Schnitt in den Oberarm, und ein gewaltiger Blutschwall schoß wie ein sichtbarer Peitschenhieb daraus hervor. Für einen kurzen Moment hatte er die Fleischwunde gesehen, obszön grob und wäßrig. Der Ärmel und eine Seite des weißen Hemds färbten sich sofort glänzend rot; einen Teil des herausspritzenden Blutes bekam Ali ins Gesicht. Obwohl der Anblick der Wunde auch ihm selbst Schmerzen verursachte, so erkannte er noch im selben Moment, daß diese nur eine Folge seines Einfühlungsvermögens waren. Was er seinem jungen Selbst antat, hatte also keine Auswirkungen auf seine eigene Person. Eine beruhigende Erkenntnis.
    Doch auch der Verwundete schien von einer schmerzlichen Bremswirkung wenig gespürt zu haben. Als sei er unzerstörbar, stieß er lediglich ein dumpfes Grunzen aus, schüttelte wie über ein kleines Mißgeschick den Kopf und eilte dann mit seinem monotonen »Lauf weg, Ida! Lauf weg, Ida! ...« einfach an ihm vorbei.
    »Nein, Mann, nein«, murmelte Ali ebenfalls monoton, während er zwischen blutverklebten Wimpern Ali hinterherschaute, das rottropfende Messer im rechten Blickfeld. Gleichzeitig wehte ihm aus irgendeiner Ritze wieder der mittlerweile vertraute Geruch in die Nase. Der Gestank verwesenden Fleisches, das erkannte er jetzt zweifelsfrei, süßlich und übelerregend, wenn auch eher verhalten, so wie eine leise Vorahnung auf das bevorstehende Unheil. Der Geruch von Fleisch, in dessen Adern vor nicht allzulanger Zeit noch Blut zirkuliert hatte. Was machte der Gestank aus Idas Wohnung hier? Litt er inzwischen unter Geruchshalluzinationen? Er begann zu würgen und war versucht, sich die Nase zuzuhalten. Und dann tönte auch noch ein anschwellender Singsang in seinem Kopf. Natürlich bildete er sich auch das nur ein. »Erdlinge, ich bringe euch den Frieden!« sangen die Stimmen, aber fast

Weitere Kostenlose Bücher