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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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wolltest.«
    »Nein, ich wollte, ich wollte … «
    Er nahm ihr die Taschenlampe aus der Hand und stieg vorneweg die Stufen langsam hinab. Als sie unten angelangt waren, leuchtete Ali den ganzen Raum ab. Auf dem Holzboden führten Blutschlieren in alle möglichen Richtungen. Der Verwundete schien sich eine Weile im unklaren darüber gewesen zu sein, wohin er fliehen sollte. Vermutlich war er auch stark verwirrt und wußte nicht mehr genau, was er tat. Ali rüttelte leise an der Klinke der Wohnungstür. Das Schloß war abgesperrt. Er zog den Schlüssel heraus und ließ ihn in der Manteltasche verschwinden.
    »Soll ich das Licht einschalten?« flüsterte Ida ihm ins Ohr.
    Er schüttelte den Kopf. Sie wagten sich langsam ins Wohnzimmer vor, das ebenfalls noch fast leer stand, und als sich ihnen dort das gleiche finstere Nichts bot, schließlich ins Eßzimmer. Seltsam, er hatte immer noch Angst, obwohl er einen stark verwundeten Mann ohne Waffe verfolgte. Und beinahe hätte er aufgeschrien, als er plötzlich auf der antiken Kommode den riesigen geflochtenen Hahn erblickte und ihn in seiner Anspannung für den Gesuchten hielt. Nachdem sie jedoch alles ausgeleuchtet hatten, stand fest, daß Ali sich allenfalls noch in der Küche versteckt haben konnte - und weil dort die Tür offenstand, auch im Garten! Vielleicht hatte er schon einen Nachbarn alarmiert.
    Sie schlichen den Weg zurück, den sie gekommen waren, und betraten die Küche. Hier brauchte der Lichtkegel der Taschenlampe nicht jeden Winkel abzutasten. Die Blutspur auf den Dielenbrettern führte in deutlich sichtbaren, Schlangenlinien zur Glastür, welche nun zur Gänze offenstand. Da sie die anderen Räume zuerst abgesucht hatten, hatten sie viel kostbare Zeit verloren. Ali knipste die Taschenlampe aus und legte sie auf dem alten Tisch ab. Sie verließen die Küche, begaben sich nach draußen auf die Terrasse und dann schließlic h über die wenigen Eisenstufen in den Garten hinunter. Dort war nichts zu sehen als schwärzeste Nacht.
    »Warte hier, und rühr dich nicht vom Fleck!« schärfte Ali Ida ein.
    Er tastete sich in einem lockeren Zickzackkurs über das matschige Gras vorwärts, wobei er das Messer in seiner Hand fest umklammert hielt. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, und auch der Sternenglanz sorgte für eine feine Aufhellung. Aus keinem einzigen Fenster der ringsum in den Himmel ragenden Rückfassaden drang Licht, und sämtliche Gärten verharrten in so vollendeter Lautlosigkeit, als wären sie Friedhöfe. Alis geschärfter Blick suchte hinter den Büschen und kleineren Bäumen nach verdächtigen Schatten, und er behielt zugleich den Boden unter seinen Füßen im Auge, um sich an der Blutspur zu orientieren. Aber weil der nasse braune Rasen in diesem Halbdunkel jeden Farbton schluckte, war es unmöglich, irgend etwas zu erkennen. Gelegentlich spähte er über die bauchhohen Seitenmauern in die Nachbargärten, bangend, eine wankende Schattengestalt auszumachen, die mit den Fäusten an die Hintertüren der Häuser hämmerte. Aber die bleierne Stille zu beiden Seiten ließ alles Bangen von Sekunde zu Sekunde schwinden. Wo ist er nur? Wo ist er nur, tönte es wie ein Endlosband in seinem Schädel, er müßte doch schon längst tot sein! Er nahm das Messer allmählich herunter, weil er sich inzwischen wie die Trottelversion eines Killers vorkam, und aus dem vorsichtigen Heranpirschen wurde ein frustrierendes planloses Hin und Her, nein noch schlimmer, eine vollkommen auffällige und blamable Herumeierei, über die sich jedes potentielle Opfer scheckig gelacht hätte. Die Sachlage war nicht von der Hand zu weisen: Sein blutiger Ali war wie vom Erdboden verschluckt.
    Sein warmer Atem stieg in quallenförmigen Dampfschwaden in die kalte Luft, während er sich langsam in den abgeschirmten hinteren Teil des Gartens schlich und endlich stehenblieb. Die Trauerweide und das undefinierbare Pflanzendickicht, welches wie eine Riesenwelle sogar über die drei Meter hohe Grenzmauer wucherte, bildeten eine Art Höhle um ihn herum. Hier herrschte wieder vollkommene Finsternis. Dennoch ließ sich Ali in seinem Eifer nicht davon abbringen, ganz nah an das Gestrüpp heranzutreten und alles genau unter die Lupe zu nehmen. Was er jedoch sah, war nichts als bewegungslose Schatten und gähnende Schwärze. Er drehte sich zurück zum offenen Garten und erblickte Ida in der Ferne. Sie stand leblos wie ein Gespenst neben der Terrassentreppe und beobachtete mit

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