Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
Vom Netzwerk:
Killer!« brüllte es durch den Hörer zurück. Eine hämische, äußerst bedrohliche, männliche Stimme.
    Das Frühstück, das Ali noch nicht einmal zu sich genommen hatte, verursachte ihm augenblicklich Übelkeit. Jedenfalls der Geruch davon, der eine Sekunde zuvor noch so verlockend gewesen war. Eine Hitzewallung bemächtigte sich in Lichtgeschwindigkeit seines Körpers, seine nur halbverhüllten Beine drohten einzuknicken, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Kniekehlen versetzt. Es war schlimm, sehr, sehr schlimm. Denn jemand hatte letzte Nacht die fröhliche Schlachterei doch heimlich beobachtet und wollte ihn damit jetzt entweder erpressen oder sich noch einen garstigen Spaß gönnen, bevor er die Polizei verständigte. Was sollte er tun? Ihm für sein Schweigen ebenfalls eine obszön hohe Summe anbieten, Geld, das er nicht besaß? Vielleicht konnte man sich bei einer zum Schein inszenierten Geldübergabe wieder mit einer rostigen Hacke behelfen. Es war wie verhext! Zu dem Entsetzen über das Ertapptsein kam nun auch die Wut hinzu, kochende Wut darüber, daß ihm der reibungslose Übergang in die glückliche Vergangenheit einfach nicht gelingen wollte, daß ihm dabei andauernd von irgendwelchen Idioten Steine in den Weg gelegt wurden. Er fragte sich allen Ernstes, wie Menschen nur so niederträchtig sein konnten.
    »Hey, du Killer!« schrie der Fremde am anderen Ende der Leitung wiederholt, weil Ali wohl zu lange geschwiegen hatte.
    Plötzlich pulsierte etwas in seinen Schaltkreisen, sehr schwach zwar, aber anregend genug, um eine gemächliche Kettenreaktion von Erinnerungsimpulsen in Bewegung zu setzen. Anfangs entsann er sich nur an Satzschnipsel: »Hey, du Killer, hast dich wohl endgültig zum Olymp der Pinselschwinger hochgemogelt! Bleibst aber trotzdem der alte Wichser! ...«, »Killer, laß uns einen heben gehen. Aber du bezahlst. Ich will mir die Peinlichkeit ersparen, einem Millionär den Schnaps zu spendieren ...«, »Hey, du Killer, hab 'ne Alte gefickt, die solltest du auch unbedingt ausprobieren … « Langsam bekam »Hey, du Killer« ein Gesicht. Und zu den für immer aus dem Gedächtnis gelöscht geglaubten Bildern gesellten sich langsam ambivalente Gefühle. Ein in der Tat bizarrer Emotionswirrwarr: Abneigung und Hingezogenheit, Selbsthaß, weil er ausgerechnet die Gesellschaft eines Kotzbrockens gesucht hatte, und nicht zuletzt undeutliche Momentaufnahmen des Vollrausches. Ali kannte die Stimme, obgleich sie aus einer Vergangenheit zu ihm drang, die ferner schien als das versunkene Atlantis. »Killer!« So hatte ihn nur einer genannt: Hardy Link. War der nicht schon längst tot? Aber nein, damals, das heißt heute, im Jahre 1991, lebte er ja noch. Gestorben war er erst ein paar Jahre später, vielleicht irgendwann um '95. Und er war auch nicht einfach sanft entschlafen, so sang- und klanglos, sondern er war genauso gestorben, wie er gelebt hatte, irgendwie widerlich und mit großem Tamtam. Glaubte er sich jedenfalls zu erinnern.
    Ali konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er sich von dem Schock, aufgeflogen zu sein, überhaupt erholen sollte. Denn Links Wiederauferstehung brachte ihn nicht weniger aus der Fassung. Der Kerl hatte ihm so dringend gefehlt wie eine untertellergroße Warze am Hintern. Nun fiel es ihm wieder ein. Er nahm es diesmal etwas gelassener als beim Auftauchen Bibos hin, daß sein alter Schädelkasten diese Begebenheit komplett verdrängt hatte. Schließlich waren zehn Jahre wirklich eine lange Zeit. Aber inzwischen stand die Erinnerung, klar und deutlich wie ein aufgeschlagenes Buch. Ja, Hardy hatte ihn einen Tag nach dem Einzug am Morgen angerufen. Allerdings hatte er ihn da nicht aus dem Schlaf geklingelt, weil er schon früher auf den Beinen gewesen war, und Ali hatte sich weder den Anlaß des Anrufs gemerkt noch seinen Inhalt.
    »Selber Killer«, antwortete er zögerlich. Offen gesagt, wußte er nicht, worüber er sich mit einem Toten unterhalten sollte. Er war seinerzeit froh darüber gewesen, daß dieses peinliche Kapitel in seinem Leben endlich abgeschlossen war. »Mensch, daß du noch mal anrufst. Nach all den Jahr ...«
    »Ja, ja, nach all den Jahren, am Arsch hängt der Hammer! Warum hast du dich nicht gemeldet, du Killer? Wir hatten doch vorgestern abgemacht, daß du Bericht erstattest, wie es sich in einem Protzkasten so weilt. Bist jetzt wohl was Besseres und kennst deine alten Freunde nicht mehr. Scheiß drauf! Übrigens, die drei Tanten an dem Abend

Weitere Kostenlose Bücher