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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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in › Erlösung ‹ scheinen sehr willig zu sein. Eine von denen, die Blonde, rief bei mir an und erkundigte sich nach dir. Vielleicht können wir zusammen einen flotten Fünfer … «
    Hardy Link, Hardy Link, der verdammte, schmutzige Hardy Link! Er traf doch immer wieder einen Nerv in ihm - auch wenn er ihn am liebsten abgetötet hätte. Link war ebenfalls ein Maler, allerdings ein echt provinzieller, denn er malte ausschließlich Impressionen aus der heimischen Provinz. Obendrein in einem karikaturhaft impressionistischen Stil, bei dem man sich oft fragte, ob der Künstler seine Mittelmäßigkeit nicht hinter groben Farbtupfern und Strichen verbarg. Immer wenn es konkret wurde, zum Beispiel bei der Ausarbeitung eines Gesichts, intensivierte sich diese Technik. Entscheidend war jedenfalls, daß Hardy von Anfang an von seiner Produktion gelebt hatte und daß sie sich zu dem Zeitpunkt kennengelernt hatten, als Ali noch von Luft und Liebe und von Ida lebte. Link stellte pro Woche exakt ein Gemälde fertig mit Motiven wie dem Brunnen vor dem alten Rathaus oder dem Fluß aus der Perspektive des Aussichtsturms für Touristen, und es war kein Kunststück, für derlei Idyllen ausgemachte Kunstkenner an Käufern zu finden. Hardy war es einerlei, denn er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, daß sein Beruf wirklich das Allerletzte war, was ihn interessierte. Sein wahres Interesse galt den Damen, solchen, die bereits nach einer halben Stunde erkennen ließen, daß sie bei der Begleichung der Rechnung für ein Abendessen all die Dinge mit sich machen lassen würden, die der Mann von Welt aus Pornofilmen kennt. Aber sein primäres Interesse, noch vor der Damenwelt, galt dem Alkohol. Und zwar nicht im grenzkriminellen Ausmaß, wie es bei Ali der Fall war, sondern eher in einem märchenhaften. Für Hardy war Bier Wasser, Wein eine Art Bierschorle und Hochprozentiges erst der gemütliche Teil des Abends. Der Kerl war ein Berufssäufer, danach kamen die Frauen, dann wohl die Unpäßlichkeiten, die mit diesen beiden Erregungszuständen einhergingen, und an letzter Stelle kam die Kunst. Oder was man dafür hielt.
    Der untersetzte, ochsenköpfige Mann jenseits der Vierzig mit einem wahren Globus an Säuferbauch und einem Hang zu schwarzen Anzügen aus Cordstoff stellte ein physiologisches Wunder dar. Nicht nur, daß er bei seiner selbstzerstörerischen Lebensweise noch nicht das Zeitliche gesegnet hatte, sondern daß er so lebte, als verberge sich irgendwo in seinem Innern eine Ersatzbatterie, die ihm bärenartige Kräfte verlieh. Überhaupt besaß er den Charme eines zotteligen alten Bären, eines Bären allerdings, der ungemütlich werden konnte, wenn man ihm in der Annahme, einen hilflosen Trinker vor sich zu haben, krumm kam. Seine mit ordinären Spottkaskaden beginnenden Gewaltausbrüche waren legendär. Sein Vorstrafenregister, das fast ausschließlich Kneipenschlägereien auflistete, trug er wie eine Ordenssammlung mit geschwellter Brust vor sich her. Und natürlich, das verstand sich ja für einen Maler von selbst, trug er auch noch eine Baskenmütze.
    Blieb die eine Frage, die niemand so recht beantworten konnte: Weshalb, um alles in der Welt, blieb ein so gefeierter und steinreicher Maler wie Alfred Seichtem mit solch einem talentfreien Saufbold befreundet und schlug sich mit ihm regelmäßig die Nächte um die Ohren, obwohl beide sowohl menschlich als auch künstlerisch Welten trennten? Die simple Antwort kannte allein Ali, und er hielt sie sogar vor sich selbst meist geheim: Der große Seichtem besaß keine anderen Freunde, und schon gar keine, die Künstler waren. Der Erfolg hatte nicht dazu geführt, daß sich sein ohnehin kaum vorhandener Bekanntenkreis vergrößerte, sondern im Gegenteil, die Beinsteller und die Neider waren auf den Plan getreten und hatten ihn ihre Mißgunst spüren lassen, indem sie sich demonstrativ von ihm fernhielten. Freilich handelte es sich auch bei Link um einen ausgewachsenen Neidhammel, Neid war sogar seine hervorstechendste Charaktereigenschaft. Aber in diesem unverhohlenen Neid schwang auch Faszination um den Saufkumpan mit, ein verdrießliches Aufschauen zum Sieger, letzten Endes auch Bewunderung. Ali und Hardy, eine Freundschaft zwischen zwei Männern, die sich eigentlich gegenseitig nicht ausstehen konnten.
    Und irgendwann war der gute alte Hardy also tot. Man sprach von einer Kombination aus Unfall und Selbstmord, das heißt einem vom Opfer unbewußt selbst herbeigeführten Unglück.

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