Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
Vom Netzwerk:
wuchtigen Granitstufen hochzusteigen begann. Er lächelte ihm dabei schüchtern zu, was seinen rauhen Gesichtszügen etwas von Verwerfungen erloschener Lava verlieh.
    »Komisch, is' komisch«, sagte das Bandenmitglied, kratzte sich erst auffällig am Nacken, steckte dann die Hand durch den Kragenbund unter das Netzhemd und kratzte sich auch noch an der Brust. »Wo kann er bloß sein?« Die dunklen Brillengläser verrieten nicht, ob er dabei zwinkerte.
    »Das kann ich Ihnen leider auch nicht verraten.«
    Ali bekam sich allmählich wieder halbwegs in den Griff und gab sich betont unaufgeregt.
    »Es gibt dafür wohl viele Erklärungen. Aber ich kann mir gut vorstellen, daß er mir die Lampe zwar bringen wollte, dann aber beschloß, noch in eine andere Kneipe reinzuschauen. Hoch-die-Tassen!-mäßig, Sie verstehen? Wahrscheinlich schläft er jetzt irgendwo seinen Rausch aus.«
    »Is' drin, is' drin, Herr Seichtem«, sagte der schmierige Umzugsmann und grinste. »Paßt aber nicht zu Bibo. Wissen Sie auch, warum nicht? Weil er der Chef is'. Is' so, der ist wirklich der Chef, dem gehört der Laden, wir sind nur Kulis. Kann mir nicht vorstellen, daß er sich so einen fetten Auftrag wie heute wegen paar Flaschen Bier durch die Lappen gehen läßt. Schließlich ist er Profi und weiß, wann Schluß is' mit Saufen.«
    »Dann ist wohl unterwegs etwas passiert.«
    »Was denn?«
    »Wie bitte?«
    »Was könnte denn unterwegs passiert sein, Herr Seichtem?«
    Anton Wachs, der inzwischen auf dem Treppen podest angelangt war, trat dem Mann an die Seite. Er überragte ihn um fast einen halben Meter und bedachte ihn mit einem Blick, der sensiblere Gemüter glatt hätte töten können.
    »Wo liegt denn Ihr Problem, guter Mann?« sagte er. »So wie ich die Sache sehe, waren Sie allesamt jenseits der Klarsichtgrenze, als Ihr Bibo sich mit der Lampe davongemacht hat. Wahrscheinlich stark wankend. Können Sie beschwören, daß er in seinem Zustand auch nur hundert Meter weit gekommen ist? Wohl kaum. Es kann ihm alles Mögliche zugestoßen sein oder auch gar nichts. Telefonieren Sie Ihre Freunde und Bekannten durch, gehen Sie die Strecke zu Fuß ab, informieren Sie die Polizei, wenn er immer noch nicht aufgetaucht ist. Aber hören Sie endlich auf, Leuten auf die Nerven zu gehen, die mit Ihren Alkoholexzessen nicht das geringste zu tun haben!«
    Der Umzugsmann senkte die Sonnenbrille und linste über die Gläser hinweg zu Wachs auf. Sein Gesichtsausdruck wollte etwas zwischen Groll und Respekt ausdrücken, was bei Taschenformatmachos wie seinesgleichen zu einer debilen Miene führte. Er hatte in Sekundenschnelle kapiert, daß mit Herrn Seichtems »Verstärkung« nicht zu spaßen war.
    »Nichts für ungut, Meister«, sagte er schließlich, wobei er sich sichtlich um Selbstbeherrschung bemühte. »Is' nur so, man macht sich Sorgen um den Kumpel. Glauben Sie mir, unsereiner hat schon soviel Scheiße durch die Luft fliegen sehen, daß er sich nicht wundern würde, wenn ein Klumpen auch mal die eigene Fresse trifft.«
    »Is' so«, entgegnete Wachs und lächelte milde. »Deshalb sollten Sie jetzt keine Zeit mehr verlieren und sofort die Suchmaßnahmen in die Wege leiten, die ich Ihnen vorgeschlagen habe. Auf Wiedersehen!«
    Er trat noch ein bißchen näher an ihn heran. Der falsche Latino drückte die Brille wieder fest ans Gesicht, vollführte mit der Hand eine halbherzige Abschiedsgeste und verließ den Treppenaufgang. Er stieg in eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgestellte Rostlaube, deren Fabrikat und Farbe zu bestimmen nur Archäologen vergönnt war, und fuhr in Begleitung ohrenbetäubenden Knatterns und schwarzer Auspuffschwaden davon.
    »Sie müssen Anton Wachs sein!«
    Ali fiel zum ersten Mal auf, daß er viel älter wirkte, als er ihn in seinem Album der vergilbten Erinnerungen abgelegt hatte. Die Gesichtshaut sah aus, als hätte man sie ihm abgezogen, zerknüllt, gewrungen und dann wieder angeklebt. Eine traurige Trübe hatte sich seiner Augen bemächtigt und eine kränkliche Blässe seiner Haut. Ali wurde das Gefühl nicht los, daß Wachs trotz seiner resoluten Erscheinung gelegentlich zitterte.
    »Und Sie sind genauso, wie man Sie mir geschildert hat«, fuhr er fort. »Der buchstäbliche Fels in der Brandung. Wer braucht schon einen großen Bruder, wenn er so einen Nachbarn hat? Danke!«
    Sie gaben sich die Hand und Ali stellte sich vor.
    »Schon erstaunlich, was sich dahergelaufenes Pack heutzutage herausnimmt, wenn man sich

Weitere Kostenlose Bücher