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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Ausdruck und entspannt, sehr entspannt. Und als Ida ihn fragte, wie ihm der Garten gefalle, sagte er nur lauwarm lächelnd: »Wunderbar, wunderbar« und »Schön, schön«.

15
     
    D ie folgenden Wochen verliefen harmonisch. Ohne Zwischenfälle, wie Journalisten es ausgedrückt hätten. Nun ja, bis auf einige kleine Zwischenfälle, aber wirklich sehr unerhebliche. Natürlich war harmonisch ein vager Begriff, und das traf auch genau auf den Zustand zu, in dem er während dieser Zeit schwebte: das vage Gefühl, noch nicht wirklich am Ziel angekommen zu sein. Aus einem seltsamen Grund gingen er und Ida sich aus dem Weg, und keiner von ihnen spürte das Bedürfnis, darüber zu sprechen. Das mit dem Sprechen war auch so eine Sache. Sie taten es kaum, nur noch im Notfall sozusagen. Ali versuchte zu ergründen, woran das liegen mochte. Weil der erste Probelauf ihrer Wiedervereinigung in einem gescheiterten Geschlechtsakt geendet hatte? Weil sie drei Leute umgebracht hatten, was sie vor lauter Schuldgefühlen sprachlos machte? Weil über ihnen immer noch ein ganzes Arsenal von Damoklesschwertern schwebte? Weil sie nicht so recht daran glauben konnten, daß sie tatsächlich die zweite Chance erhalten hatten?
    Nach reiflicher Überlegung kam Ali zu einem anderen Schluß. Und der war traurig. Es bereitete ihm einige Hemmung, es sich selbst einzugestehen, doch es schien für ihn die einzige Wahrheit: Es war vorbei! Er liebte Ida immer noch, wohl wahr, aber welche Ida? Die »Gewohnheit« Ida? Die Institution Ida, die für ihn alle lästigen Probleme aus der Welt schaffte? Die Dekorateurin -Köchin-Hausmädchen-Therapeutin- Managerin-Ida, die ihm den Rücken freihielt und es ihm behaglich machte? Die Nostalgie-Ida, mit der er steinige Lebenspfade bewältigt hatte? Es gab so viele Idas, und allesamt weilten sie in der Vergangenheit! Ali erkannte, daß man etwas Zerbrochenes zwar Scherbe für Scherbe penibel wieder zusammenflicken konnte, jedoch das Ergebnis nie wie das Original aussehen würde. Eine langjährige Liebe funktionierte nur, wenn man zwischendurch nicht aussetzte, sondern trotz des Nachlassens der einst so gewaltigen Leidenschaft beharrlich aneinander festhielt. Liebe war auf Dauer nur überlebensfähig, wenn man nicht aus dem Schneckenhaus ausbrach, auch wenn es darin dunkel war, aber Hauptsache warm. Sie hatten es aber getan, waren aus dem Schneckenhaus ausgebrochen, und als sie nun wieder zurückkehrten, stellten sie fest, daß sie einander in der Zwischenzeit fremd geworden waren. Und der Blick von Fremden war unbestechlich.
    Das alles klang wie eine Passage aus einem Ratgeber für Ehepaare, die sich unbedingt das Geld für eine Scheidung sparen wollten. Aber Alis Analyse der Dinge ließ keinen anderen Schluß zu. Was freilich auf seine weitere Vorgehensweise ohne Folgen bleiben würde. Denn als er tiefer als tief gestürzt war, hatte er die Erfahrung machen müssen, daß in seinem Alter das dunkle und ach so warme Schneckenhaus einen höheren Wert besaß als tausend Bestandsaufnahmen einer gescheiterten Ehe. Doch wie sollte es dann weitergehen? Irgendwie, dachte er, irgendwie, und verbat sich danach das Denken.
    Ida, so hatte es den Anschein, erging es genauso. Sie schlüpfte so unbekümmert in die Rolle ihres zehn Jahre jüngeren Selbst hinein, als habe sie den dazwischen liegenden Prozeß der Desillusionierung einfach abgestreift wie ein schmutziges Hemd. Wie von einer höheren Macht beauftragt, begann sie voller Enthusiasmus die Wohnung einzurichten und den Garten zu verschönern. Jeden Tag und am Tag mehrmals klingelte es an der Tür, und Lieferanten exquisiter Einrichtungsgeschäfte überbrachten einen kostbaren Stuhl oder einen stilvollen Lüster, welche sie vorher in der Stadt erworben hatte. Manchmal befand sich auch ein wahres Schwergewicht darunter, wie zum Beispiel der amerikanische Kühlschrank, der Eiswürfel und Eiswasser selbständig herstellen konnte. Selbstverständlich auch eine erstklassige Taschenfederkernmatratze, weil die alte einfach zu viele Blutflecken aufwies. Handwerker gingen ein und aus, ständig fluchten beleibte Männer in Overalls »Scheiße, falsches Maß!« und »Scheiße, Dübel hält nicht!« Obendrein beschlich Ali immer mehr das Gefühl, daß Ida mit dem örtlichen Pflanzengroßhandel heimlich einen Arbeitsvertrag als Lastenträgerin abgeschlossen hatte. Fast täglich wurde von der »Ente« zentnerweise Blumenerde, voluminöse Terrakottatöpfe und exotische Setzlinge erst ins

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