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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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noch vo r ein paar Stunden gewesen war.
    Anton Wachs reagierte auf solcherlei Unstimmigkeiten erstaunlich unbeeindruckt. Ganz im Gegenteil, er verhielt sich Ida gegenüber selbst so, als habe er eine lang vermißte Freundin wiedergetroffen. Nach der Begrüßung ließ er sich bereitwillig zum Frühstück einladen, und schon nach einer halben Stunde waren sie zwischen in Öl und Knoblauch eingelegten Gambas und griechischen Oliven die alten vertrauten Nachbarn geworden, die sie eigentlich erst nach einer mehrere Monate währenden Beschnupperungsfrist hätten werden sollen. Ali ertappte sich und Ida sogar dabei, wie sie mit Wachs über Ärgernisse im Viertel und über pikante Geheimnisse anderer Bewohner plauderten, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in diese Details hätten eingeweiht sein dürfen. Der gute Nachbar jedenfalls schien es zu überhören, oder die beginnende Senilität hatte sein Zeit- und Personengedächtnis derart durcheinandergebracht, daß er die Fauxpas nicht als solche wahrnahm. Allmählich fühlte sich Ali genötigt, die Vertraulichkeiten zu einem Ende zu bringen, und was war zu diesem Zweck besser geeignet, als das Zeremoniell von damals zu wiederholen? Er schnappte sich aus der Biedermeierkommode die halbvolle Cognacflasche und drei Gläser und trat an die geöffnete Küchentür.
    »Nun aber einen guten Schluck auf gute Nachbarschaft!« rief er den beiden am Tisch zu und lächelte wie ein Confé rencier, der das Publikum auf die letzte Nummer vorbereitet.
    Die drei traten auf die Terrasse und kniffen wegen des verschwenderischen Sonnenlichts ein wenig die Augen zu. Und während Ali bereits das erste Glas einschenkte, wurde ihm mit schleichender Panik bewußt, daß er mit seiner Idee schon wieder einen Riesenfehler begangen hatte, wenn nicht sogar den riesigsten überhaupt. Daß Anton Wachs nun geradewegs auf den beachtlichen Erdhaufen am Ende des Gartens blickte, der von hier oben sehr gut zu erkennen war, stellte dabei keine so große Gefahr dar. Zwar hatte er von der Rückseite seines eigenen Hauses aus den Nachbargarten und jegliche Veränderung darin immer vor Augen und wunderte sich jetzt vielleicht, weshalb an dieser Stelle über Nacht ein Hügel entstanden war. Aber er mochte sich auch denken, daß Ali bei so einem Prachtwetter schon sehr früh mit der Gartenarbeit angefangen haben könnte und an dieser Stelle etwas ganz Besonderes vorhatte. Genau das würde er ihm nämlich bei entsprechender Nachfrage zur Antwort geben.
    Nein, so ein bißchen plötzlich aufgehäufte Erde stellte keine Gefahr für ihre Lügengeschichten dar. Es war die Lampe! Die verdammte Jugendstilleuchte, die Bibo bei der Entdeckung der Leichen vor Entsetzen auf den Rasen hatte fallen lassen. Ali hatte gestern nacht in seiner Müdigkeit verschwitzt, sie im Keller verschwinden zu lassen. Aber auch das wäre kein Weltuntergang gewesen, wenn Anton Wachs mit dem Latinoverschnitt nicht genau wegen dieses unseligen Dings beinahe einen Streit vom Zaun gebrochen hätte. Blind vertrauend auf Alis Aussage, Bibo habe das Stück eben nicht zurückgebracht, hatte er für ihn Partei ergriffen. Er mochte vorhin vielleicht die unerklärliche Informationsfülle der Seichtems nicht so ganz mitbekommen haben, aber spätestens jetzt, da er den Gegenstand des Beinahestreits erblickte, würden bei ihm die Alarmglocken klingeln. Selbstverständlich konnte er nicht wissen, wie die fragliche Lampe genau aussah, doch es gehörte nicht viel Phantasie dazu, sie in Verbindung mit dem kleinen Hügel zu einer grausamen Ahnung zu kombinieren.
    Nun lag die Leuchte also da, der einzige Fremdkörper auf der Rasenfläche, hell beschienen von der Sonne, wie ein cartoonhaftes Beweisstück für einen Kinderdetektiv mit überdimensionaler Lupe. Als Ali das zweite Glas einschenkte, zitterten seine Hände bereits, so daß er ein bißchen daneben goß. Aus den Augenwinkeln registrierte er, daß Wachs mit unbewegtem Gesicht das Exponat in der Gartenherrlichkeit anstarrte und nichts anderes. Wahrscheinlich fügten sich in seinem Kopf gerade die einzelnen Mosaiksteinchen zu einem Bild zusammen. Wie hatte er bloß auf die Idee kommen können, ihn in die Küche zu bitten und dann auch noch auf die Terrasse! Aber schon im nächsten Moment wollte es ihm wieder so scheinen, als habe die schleichende Senilität sich auch Wachs' Augen bemächtigt, denn er sah darin nicht einmal den Anflug einer Überraschung, geschweige denn eines Schocks. Nichtssagend war der

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