Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
angezogen, knöpfte nur noch mit einer Hand das Hemd zu und bewegte sich zur Tür.
»Ja, ja, Ende der Woche, am Arsch hängt der Hammer!« sagte Hardy, »deine Abnabelungsversuche entgehen mir nicht, daß du es nur weißt, du Killer. Aber laß es dir gesagt sein, ob armer Säufer oder reicher Säufer, wir sehen alle ziemlich gleich aus, wenn wir in die Gosse kotzen! Übrigens, wann ist es denn soweit?«
Ali hatte keine Ahnung, wovon die Rede war. Er hatte inzwischen die Wohnungstür aufgeschlossen und ging durch das kleine Treppenhaus mit dem wundervollen Terrazzoboden zur Haustür. Aus dem Berliner Zimmer hinter sich hörte er erneutes Klingeln, diesmal etwas länger.
»Ich weiß nicht, was du meinst , Hardy . Weder kapiere ich deine Anspielungen noch deine Frage, was wann soweit sein soll.«
»Sag bloß, die Einweihungsparty fällt ins Wasser! Also wenn du irgendwie vorhast, mich hintenrum auszuschließen, dann mach dich auf was gefaßt. Ich komme durchs Fenster reingekracht, das kann ich dir versprechen. Nur weil Ida mich nicht ausstehen kann und du über Nacht anscheinend auch nicht mehr, läßt sich ein Hardy Link nicht um sein Gratisgelage bringen!«
Er lachte ordinär.
Ali fiel es wieder ein. Die Einweihungsparty, das pompöse Fest zum Einzug in das Traumreich, das nun auch alle ihre Freunde und Bekannten besichtigen und bewundern durften. Er besaß eine vage Erinnerung an diese Feier und daran, daß Ida jedes Brötchen noch selber geschmiert und er jede Flasche eigenhändig entkorkt hatte. Jeder wollte das neue Haus sehen, und das Ehepaar Seichtem wünschte sich nichts sehnlicher, als es auch jedem zu zeigen. Deshalb hatten sie schon Monate zuvor allen den Mund mit der Aussicht auf eine rauschende Einweihungsparty wäßrig gemacht. Nun jedoch war ihm die Zusammenrottung so vieler Leute am »Tatort« so willkommen wie eine polizeiliche Hausdurchsuchung. Am liebsten hätte er die Sache abgeblasen.
»Ach ja, die Einweihungsparty! Da siehst du mal, wie beschäftigt Ida und ich noch sind. Praktisch sind wir noch gar nicht richtig eingezogen. Das Feiern ist wirklich das letzte, woran wir momentan denken … «
»Wann?«
Ali erreichte die Haustür. Dabei spürte er, wie Groll in ihm hochstieg. Was würde dieser penetrante Kerl eigentlich machen, wenn er ihm jetzt sagte, daß er sich zum Teufel scheren und ihn ein für allemal in Ruhe lassen solle? Vermutlich gar nichts.
»Laß mich mal überlegen. Also in der kommenden Woche ist es unmöglich. Aber danach werden wir uns wohl einigermaßen eingelebt haben. Sagen wir übernächstes Wochenende, nein, sagen wir Mai, ja, am l. Mai, dann sind wir bestimmt wieder in Partylaune!«
Er verabschiedete sich abrupt und drückte ohne Hardys Abschiedsfloskel abzuwarten auf die Aus-Taste des Hörers. Er hatte das untrügliche Gefühl, daß die Festlegung eines Termins ein Fehler gewesen war. Eigentlich hatte er beabsichtigt, den ganzen Partyquatsch so lange vor sich herzuschieben, bis alle in Frage kommenden Gäste ihn wohl oder übel vergessen hätten. Aber nun würde es Hardy überall herumerzählen. Es gab kein Zurück mehr, er mußte die Party schmeißen, obwohl eine innere Stimme ihm mächtigen Ärger prophezeite. Doch darüber konnte er sich den Kopf ja noch in vier Wochen zerbrechen.
Als er nach der Türklinke griff, schellte es wieder. Er wußte bereits, wer vor der Tür stehen würde. Diese Erinnerung hatte sich in sein Gedächtnis so unauslöschlich eingraviert wie Messerkerben in einen Baum. Es würde Anton Wachs sein, »der rechte Nachbar«. Er würde mit einer Schale selbstgezogener Tomaten vor ihm stehen, sein mildes Grandseigneur-Lächeln lächeln und ihm zum Einzug gratulieren. Daraufhin würde Ali ihn hereinbitten, mit Ida bekanntmachen, und dann würden sie auf gute Nachbarschaft gemeinsam einen Cognac trinken.
Alfred Seichtem öffnete die Tür.
Anton Wachs stand nicht vor ihm!
Sondern ein Typ, der einer nassen Ratte ähnelte. Seine Haare waren mit Gel glatt und in drallen Strähnen nach hinten gekämmt, und er trug eine Ray-Ban-Bomberpilot- Brille. Seinen ausgemergelten Körper schmückten allein ein Netzhemd, eine verwaschene, enganliegende, schwarze Jeans und ein wahres Album an Tätowierungen. An seiner Brust prangte ein Kruzifix mit einem verschwenderisch und in Farbe blutenden Jesus. Er sah aus wie eine schlechte Imitation eines Latinos, schmierig und ziemlich heruntergekommen. Und Ali kannte ihn. Es handelte sich bei ihm um ein weiteres
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