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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Haus geschleppt und dann, nachdem so ein Erdsack geplatzt oder ein Blumentopf zerbrochen war und den schönen Pitch-Pine-Boden halb ruiniert hatte, in den Garten befördert. Ali glaubte sich entsinnen zu können, daß es seinerzeit nicht so schnell gegangen war, sondern sich die vollständige Einrichtung des Hauses über mehrere Jahre hingezogen hatte.
    Er gönnte sich auch etwas Schönes. Das heißt, der junge Ali hatte es getan, es war quasi sein Vermächtnis. Er wurde vom Autohaus verständigt, daß sein Jaguar XJR-S endlich eingetroffen sei. Man überschlug sich dabei vor Liebenswürdigkeit, weil er die Viertelmillion gleich im voraus bezahlt hatte. Ali wußte nicht, was er davon halten sollte. Soweit er sich erinnerte, hatte er den Wagen damals lediglich acht- oder zehnmal gefahren, bis er die automobile Fortbewegung wegen seines fortwährend angetrunkenen Zustands Taxifahrern anvertraut hatte. Und jetzt, wo er die fortwährende Nüchternheit so genoß, verspürte er erst recht keine Lust mehr aufs Autofahren, schon gar nicht in so einem Angeberschlitten. Er vertröstete den Überbringer der frohen Botschaft, daß er das Fahrzeug in nächster Zeit abholen werde. Was er nie tat.
    Dafür leistete sich Ali etwas wirklich Aufregendes. Er hatte sich darauf gefreut und gleichzeitig davor gefürchtet. Ein bißchen fühlte er sich wie jemand, der seine Traumfrau erobert hatte und sich nun im Ungewissen darüber befand, ob er sie auch befriedigen konnte: Er betrat sein Atelier im zweiten Stockwerk. In allen Räumen waren die Türen ausgehängt, so daß er das gesamte Geschoß als einen einzigen Arbeitsbereich nutzen konnte. Überall standen gewaltige Staffeleien für Großformatgemälde, die er bevorzugte. Dutzende von Leinwänden, die zu bearbeiten er angefangen, jedoch wegen seiner fast ans Wahnhafte grenzenden Selbstzweifel nicht mehr zu Ende gemalt hatte, standen gegen die Wände gelehnt. Auf alten Bankettischen herrschte ein heilloses Chaos aus Töpfen mit verklebten Pinseln, Hunderten von halbausgequetschten Farbtuben und anderen Malmitteln, Chemikalienkanistern, farbverschmierten Stoffetzen und mittels vertrockneter Ölfarbe zu bunten Gebirgslandschaften verformten Handpaletten. Klappleiter, Scheinwerfer für die Nachtarbeit und umherfliegende Papiere mit Skizzen und Entwürfen vollendeten das Bild der kreativen Höhle, die außer Ida niemand betreten durfte.
    Er hatte das ganze Zeug schon eine Woche vor dem eigentlichen Einzugstermin hierhergeschleppt, weil er am Fingerspitzengefühl der »Vierer Bande« im Umgang mit Kunst zweifelte. Außerdem sollte die ihn so inspirierende Komposition der scheinbaren Konfusion von der alten Werkstatt originalgetreu in die neue hinübergerettet werden, was ihm, wenn er sich so umschaute, auch recht gut gelungen war. Freilich war der Begriff »kreative Höhle« hier völlig fehl am Platz. Durch die vielen Fenster wurden die hohen Räume so optimal mit Tageslicht versorgt, daß er am Anfang schon befürchtet hatte, ihm käme vor lauter guter Laune irgendwann die düstere Grundstimmung in seinen Bildern abhanden. Zum Garten hin gab es sogar einen Balkon, der einen wunderbaren Blick auf die diversen Nachbargärten bot. Alles in allem hätte es keinen paradiesischeren Ort zum Arbeiten geben können, und nun, da er mittendrin stand, konnte er kaum mehr verstehen, warum dieses Paradies sich am Ende in eine einzige Hölle verwandelt hatte.
    Ali wußte nicht, ob er noch zu malen imstande war. Seit der Scheidung hatte er den Maler nur noch gespielt, kein einziges Gemälde mehr zustande gebracht. Immer, wenn er einen Bleistift oder einen Pinsel in die Hand genommen hatte, hatte er nach Stunden erschrocken zur Kenntnis nehmen müssen, daß er immer noch vor einem leeren Malblock oder einer unberührten Leinwand saß. Es fiel ihm weder etwas ein noch spürte er auch nur einen Funken Leidenschaft für die Sache. Sein Talent war einfach in einem dunklen Teil seines Ichs versunken wie ein Goldschatz im Meeresgrund. Während er wie ein Besucher durch sein eigenes Atelier schritt, überlegte Seichtem, wie er diesen Verlust, vor allem die daraus resultierende Finanzmisere, wettmachen konnte. Da verfiel er auf eine clevere Idee. Er könnte doch durch die magische Tür in das Jahr 2001 zurückkehren und dort anhand von Börsenberichten herausbekommen, welche Papiere seit 1991 um das Vielfache ihres Wertes gestiegen waren. Wieder in seiner alten Gegenwart, würde er diese Papiere kaufen und dann in

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