Die Türme der Mitternacht
verschleiern Dinge mit Spiegeln.« Er klang verunsichert. Wie versteckte man Spiegel in einem verdammt geraden Tunnel?
Sie waren am richtigen Ort; Mat konnte es förmlich riechen. Hier war der Gestank der Eelfinn am stärksten. Er reckte das Kinn vor und trat über die Schwelle.
Der dahinter liegende Raum war genau, wie er ihn in Erinnerung hatte. Es gab keine Säulen, allerdings war der Raum deutlich sternförmig. Acht Spitzen und nur der eine Durchgang. Die glühenden gelben Streifen liefen in den spitzen Enden des Raums nach oben, und in jeder Spitze stand ein schwarzes und unheilvolles Podest.
Es war genau das Gleiche. Bis auf die schwebende Frau in der Mitte.
Sie war nur mit einem feinen weißen Nebel bekleidet, der sie leuchtend und in ständiger Bewegung einhüllte, die Einzelheiten ihres Körpers verschleierte, aber nicht verbarg. Ihre Augen waren geschlossen, und das dunkle Haar, das noch immer gelockt, wenn auch nicht zu diesen perfekten Locken frisiert war, bewegte sich, als würde von unten ein Wind wehen. Ihre Hände lagen auf ihrem Bauch, an ihrem linken Handgelenk gab es einen seltsamen Armreif, dessen Material wie uraltes Elfenbein erschien.
Moiraine.
Mat verspürte einen wahren Gefühlssturm. Sorge, Frustration, Ehrfurcht. Sie war diejenige, die das alles erst in Gang gebracht hatte. Manchmal hatte er sie gehasst. Außerdem schuldete er ihr sein Leben. Sie war die Erste gewesen, die sich überall eingemischt und ihn erst in diese und dann jene Richtung gezerrt hatte. Aber im Rückblick gesehen war sie auch von allen, die ihn benutzt hatten, die Ehrlichste gewesen. Unnachgiebig, ungerührt. Und selbstlos.
Sie hatte alles getan, um drei dumme Jungen zu beschützen, von denen keiner auch nur die geringste Ahnung hatte, was die Welt ihnen abverlangen würde. Sie hatte sich dazu entschlossen, sie in Sicherheit zu bringen. Ihnen vielleicht etwas beizubringen, ob sie es wollten oder nicht.
Weil sie es brauchten.
Beim Licht, ihre Motive erschienen ihm jetzt so klar. Das machte ihn nicht weniger wütend auf sie, aber es machte ihn auch dankbar. Verflucht sollte sie sein, was für ein verwirrendes Gefühlschaos! Diese verdammten Füchse - wie konnten sie es wagen, sie auf diese Weise festzuhalten! Lebte sie überhaupt noch?
Thom und Noal starten sie an - Noal ernst, Thom ungläubig. Also trat Mat vor, um Moiraine dort wegzuziehen. Aber in dem Augenblick, in dem seine Hände mit dem Nebel in Berührung kamen, schoss ein greller Schmerz durch ihn hindurch. Er schrie auf, wich zurück und schüttelte die Hand.
»Das ist so verdammt heiß«, sagte er. »Es …«
Er verstummte, als Thom vortrat.
»Thom …«, sagte er warnend.
»Das ist mir egal«, sagte der Gaukler. Er trat an den Nebel, griff hinein, und seine Kleidung fing an zu dampfen. Der Schmerz ließ seine Augen tränen. Er zuckte nicht zusammen. Er grub sich in diesen Nebel hinein und packte sie, dann zog er sie frei. Ihr Gewicht sank in seine Arme, aber seine alternden Arme waren stark, und sie sah hinfällig genug aus, um nicht viel wiegen zu können.
Beim Licht! Mat hatte ganz vergessen, wie klein sie war. Einen guten Kopf kleiner als er selbst. Thom kniete nieder, nahm seinen Gauklerumhang ab und wickelte sie darin ein. Ihre Augen waren noch immer geschlossen.
»Ist sie …«, fragte Noal.
»Sie lebt«, sagte Thom langsam. »Ich habe ihren Herzschlag gespürt.« Er zog ihr den Armreif herunter. Er hatte die Form eines Mannes, der sich nach hinten beugte, weil seine Handgelenke an seinen Knöcheln festgebunden waren, und er trug einen seltsamen Anzug. »Sieht aus wie eine Art Ter’angreal«, sagte Thom und schob es in die Tasche. »Ich…«
»Es ist ein Angreal«, verkündete eine Stimme. »Beinahe stark genug, um ein Sa’angreal zu sein. Es kann ein Teil ihres Preises sein, falls Ihr wünscht, dafür zu zahlen.«
Mat fuhr herum. Die Podeste waren nun mit Eelfinn besetzt, vier Männer, vier Frauen. Alle acht trugen Weiß statt Schwarz - weiße Röcke mit Riemen über der Brust bei den Männern und Blusen bei den Frauen; die Kleidungsstücke waren aus diesem beunruhigenden hellen Material gemacht, das wie Haut aussah.
»Achtet auf eure Worte«, sagte Mat zu Thom und Noal und versuchte sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen. »Sagt das Falsche, und sie hängen euch auf und behaupten, dass ihr es doch so gewollt habt. Bittet sie um nichts.«
Die anderen beiden schwiegen. Thom hielt Moiraine eng an sich gedrückt, Noal hielt
Weitere Kostenlose Bücher