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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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weit?«
    Tel zuckte die Schultern. »Das hängt davon ab, wie schwer der Wagen ist und wie schnell er fuhr.«
    »Richtig. Aber wenn du die Straße überqueren willst, kannst du ziemlich genau abschätzen, ob du es vor ihm hinüberschaffst, und auch in etwa, wo er stehenbleiben wird.«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Ist dir klar, daß dein Unterbewußtsein eine Rechenaufgabe löst, für die ein Mathematiker, der das genaue Gewicht des Wagens, seine Geschwindigkeit, Verzögerung und den Reibungswiderstand der Räder kennt, mit Papier und Bleistift mindestens zwei Minuten brauchte? Du aber schaffst es im Bruchteil einer Sekunde mit nur der ungenauen Information, die deine Sinne in einem Augenblick aufnehmen.«
    Tel lächelte. »Ja, das ist wirklich erstaunlich. Aber was hat das mit dem Spiel zu tun?«
    »Eben das. Du und ich, wir können es abschätzen. Aber wenn man einen Affen an die Straßenecke stellt, würde er dort stehenbleiben, bis der Wagen angehalten hat, ehe er sich über die Straße wagt. Sicher, wenn du ihm die nötige Mathematik beibringst, ihm Papier, Bleistift und alle Faktoren gäbst, könnte er die Aufgabe in der gleichen Zeit wie der Mathematiker lösen. Aber er kann nicht einfach auf den langsamer werdenden Wagen schauen und abschätzen, wo er anhält.«
    »Ich verstehe immer noch nicht ganz«, brummte Tel.
    »Schau, so wie du und deinesgleichen, indem sie es nur ansehen, etwas abschätzen können, was die Affen nie fertigbrächten, können wir Waldwächter mit einem Blick Dinge sehen, die ihr nicht registriert, beispielsweise in welchem Winkel und wie fest man beim Zuma die Münze werfen muß, um die, auf die man gesetzt hat, vom Rand zu befördern …«
    »Ich glaube, ich begreife jetzt«, murmelte Tel.
    »Ich kann dir die mathematische Seite nicht erklären, aber genausowenig wärest du imstande, mir die des bremsenden Wagens klarzumachen.«
    Tel überlegte. »Könnte jemand von uns das gleiche wie ihr fertig bringen?«
    Ptorn zuckte die Schultern. »Einige überragende Genies unter euch vermutlich ja. Aber ist es so wichtig?«
    »Ich weiß nicht. Weshalb nennt man euch eigentlich Waldwächter?«
    »Ursprünglich nannte man uns Waldmenschen. Doch seitdem wir als ›Wächter‹ in den Straflagern am Rand des Waldes dienen, sind wir eben mehr als Waldwächter bekannt.«
    »Ja, natürlich, das hatte ich vergessen. Ich kannte einen entsprungenen Sträfling, ehe ich in die Armee kam.« Er schwieg.
    Nach einer Weile fragte Ptorn: »Was überlegst du?«
    »Wie bitte?« fragte Tel geistesabwesend. »Ach so, ich dachte an eine Halskette. Sie war aus polierten Muscheln, die ich auf ein Lederband reihte.«
    »Was hat sie mit dem entsprungenen Sträfling zu tun?«
    »Das Mädchen, dem ich sie schenkte, kannte ihn ebenfalls. Jemand zerbrach sie einmal, trampelte darauf herum. Aber ich konnte sie später wieder reparieren. Es war eine hübsche Kette, ich hatte die Muscheln selbst poliert.«
    »Oh«, murmelte Ptorn sanft.
    »Was, glaubst du, bedeuten die vielen Lichter am Stadtrand?«
    »Vielleicht gehören sie zum Ausbildungslager. Es sieht allerdings so aus, als befänden sie sich im verbotenen Teil der Stadt.«
    »Stimmt. Aber weshalb brennen dann Lichter, wenn doch niemand sich dort aufhalten darf?«
    »Wer weiß?« Plötzlich richtete Ptorn sich noch höher auf. »Schau doch! Einige von ihnen verlöschen gerade.«
    »Ah ja. Jetzt fällt es mir auch auf. Wie weit sie wohl entfernt sind?«
    »Keine Ahnung«, brummte Ptorn. »Ich frage mich, was sie mit der Grundausbildung zu tun haben. Ich habe gehört, daß die sechs Wochen ziemlich anstrengend sein sollen.«
    »Weißt du«, murmelte Tel nachdenklich. »Unter den Rekruten habe ich keine von euch Wächtern gesehen, die Gedanken lesen können. Solche mit den Dreifachnarben.«
    Ptorn löste sich vom Geländer. »Wirklich? Was weißt du denn über die Telepathen?«
    »Nichts. Ich kenne nur einen von ihnen, ich meine, einen Waldwächter, der Gedanken lesen kann. Und er hat drei Narben …«
    »Du kennst eine Menge interessante Leute. Ist dir klar, daß nur wenige von euch überhaupt etwas von den telepathischen Wächtern wissen? Außerhalb des Waldes höchstens vierzig Personen, die meisten davon im Rat.«
    »Du – du bist kein Telepath?« fragte Tel.
    Ptorn schüttelte den Kopf. »Nein. Und du hast recht. Es sind keine in der Armee. Sie werden nicht eingezogen.«
    »Ich spreche auch gewöhnlich nicht über sie.«
    »Das ist gut.« Ptorn legte eine Hand auf Tels

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